18. Januar 1935
Die Gestapo verhaftet den Arbeiter Hermann Thor unter dem Vorwurf, nach dem Verbot der KPD illegal die Parteiarbeit als Unterbezirksleiter für Magdeburg-Anhalt fortgeführt zu haben. Ihm soll der Prozess wegen “Vorbereitung zum Hochverrat” gemacht werden.
25. Januar 1935
Allen Beamten der Stadtverwaltung wird eine Liste mit den Namen von elf jüdischen Ärzten übergeben. Die Angestellten werden angewiesen, deren Dienste nicht in Anspruch zu nehmen .Die Ärzte, so die Anordnung, seien „nichtarisch und Staatsfeinde“.
28. Januar 1935
Dr. Willi Spanier, Rechtsanwalt und Vorsitzender der Magdeburger Ortsgruppe des Jüdischen Frontkämpferbundes, wurden in einem medial begleiteten Prozess vom Vorwurf der “Rassenschande” (Sittlichkeitsverbrechen) freigesprochen. Die von der SA initiierte Kampagne gegen den Anwalt zeigt dennoch Wirkung. Dr. Spanier sieht sich seines Leumundes beraubt und verlässt Magdeburg. Von Berlin aus emigriert er wenig später in die USA.
12. Februar 1935
Das Mitteldeutsche Sondergericht in Halle verurteilt das 62jährige ehemalige SPD- und Reichsbannermitglied Adolf Herbst wegen „heimtückischer Angriffe gegen die Regierung“ zu 21 Monaten Gefängnis. Der Versicherungsangestellte wurde 1934 verhaftet, weil er in einem Brief an einen Freund in Kanada die Politik des Nationalsozialismus kritisiert hatte. Er wurde bis zu seiner Verurteilung im KZ Lichtenburg interniert. Die Gefängnisstrafe verbüßt er in Halle, Naumburg und Quedlinburg.
13. Februar 1935
Der Jüdische Centralverein berichtet über die Verbreitung von zehntausenden Kopien der Broschüre “Magdeburg’s Juden stellen sich vor”. Das akribische Verzeichnis mit Namen und Adressen jüdischer Geschäfte und Berufsinhaber sowie von Nichtjuden mit jüdischen Ehepartnern führt zu gezielten Boykotten und antisemitischen Aktivitäten.
13. Februar 1935
Die Gestapo verhaftet den Lehrer Gerhard Dittmar, den Schlosser Otto Schumann und Paul Zumbusch wegen Bildung einer Ortsgruppe der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP). Nach sechs Wochen hat wird das Verfahrens mangels Beweisen eingestellt. Dittmar wird jedoch bis 1937 vom Schuldienst suspendiert. Schumann wird 1943 erneut verhaftet und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
4. März 1935
Die Stadtverwaltung beschließt die Errichtung eines „Zigeunerlagers“ zwischen der Ebendorfer Chaussee und dem Holzweg. Das Lager soll umzäunt und polizeilich bewacht werden. Begründet wird die Verlegung aller Wagenplätze auf den unbefestigten Platz am Rand der Stadt mit den „Unerträglichkeiten“ einer engen Nachbarschaft zwischen Sinti und Roma und der Magdeburger Mehrheitsbevölkerung.
4. März 1935
Die Staatspolizeistelle Magdeburg meldet, „dass die Bekennende Kirche trotz allen Ableugnens weiter ein Sammelpunkt für reaktionäre Elemente“ sei.Die Behörde kündigt an, ihre Versammlungen als öffentliche Versammlungen zu behandeln und sie zu verbieten. Insbesondere werden Fürbittgottesdienste für Pfarrer in KZ-Haft angeprangert.
4. März 1935
Die Gestapo berichtet über die Verhaftung von 16 Personen wegen “kommunistischer Umtriebe” im Monat Februar. Gegen acht von ihnen wurde Haftbefehl erlassen. Vor dem Hintergrund der Ermittlungen gegen Hermann Thor werden vier weitere Personen verhaftet. Bei Hausdurchsuchungen werden Schriften und Materialien der Roten Hilfe beschlagnahmt. Auch in diesen Fällen erließ das Gericht Haftbefehle.
4. März 1935
Laut Bericht der Staatspolizeistelle Magdeburg sind im Februar 1935 gegen sechs Personen Ermittlungen durchgeführt wurden. Sie sollen eine trotzkistische Widerstandsgruppe gegründet haben. Im Rahmen der Ermittlungen kommt es zu Hausdurchsuchungen. Beschlagnahmt wurden diverse Schriften. Das Gericht erließ jedoch keine Haftbefehle.
6. März 1935
Die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Magdeburg erlässt ein Auftrittsverbot für jüdische Straßenmusiker.Der Kontakt von „Nicht-Ariern“ mit Deutschen könne nicht toleriert werden. Jüdinnen und Juden, die sich dem Verbot widersetzen droht die Verhaftung.
8. März 1935
Der Kreisamtsleiter der NSDAP-Gewerbeorganisation fordert die Evangelische Kirche auf, jüdischen Organisationen die Nutzung des Grotian-Steinweg-Saal in der Stadtmission zu untersagen.Trotz des Drucks beugten sich zunächst weder die jüdische Gemeinschaft und die evangelische Kirche dieser Forderung.
1. April 1935
Der Preußische Innenminister weist den Regierungspräsidenten in Magdeburg an, die Wachturm Bibel- und Traktatgesellschaft, den Verlag der “Zeugen Jevohas”, aufzulösen.Am 27. April 1935 ergeht ein entsprechender Verbotsbescheid. Dem Verlag wird vorgeworfen, Mitglieder der verbotenen Internationalen Bibelforschervereinigung (IBV) weiter mit Schriften zu versorgen. Zudem habe die Gesellschaft den Eindruck erweckt, dass „die Tätigkeit der als staatsfeindlich anerkannten IBV wieder erlaubt“ sei.
4. April 1935
Die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Magdeburg berichtet von der Verhaftung dreier Mitarbeiter der Magdeburger Straßenbahngesellschaft wegen Bildung einer KPD-Zelle und der Verbreitung illegaler Schriften. Außerdem ermittelt die Polizei eine Gruppe von ehemaligen Mitgliedern des Frauen- und Mädchenbundes der KPD. Die Frauen sollen sich regelmäßig in einem Einheitspreisgeschäft getroffen und Unterstützungsarbeit für die Rote Hilfe geleistet haben.
8. April 1935
Albert Hirschland, Schulleiter der „Kaufmännischen Privatschule“, wird unter dem Vorwurf der „Rassenschande“ verhaftet.Dem zum Protestantismus konvertierten Juden werden sexuelle Beziehungen mit „arischen“ Schülerinnen vorgeworfen. Für den 18. Juni 1935 wird der Prozessbeginn gegen ihn angesetzt. Der Prozess gegen Hirschland wird zum ersten antisemitischen Schauprozess in Magdeburg.
30. April 1935
Die Gestapo durchsucht in der Gartenstadt Reform – “einer Siedlung, die vorzugsweise von SPD-Leuten bewohnt wird – fünf Wohnungen. Ihre Bewohner werden verdächtigt, marxistische Propaganda betrieben zu haben. Entsprechende Denunziationen können jedoch nicht bestätigt werden.
6. Mai 1935
Die Magdeburger NSDAP-Führung erinnert in einem Rundschreiben die Parteimitglieder daran, dass jeglicher „persönlicher Kontakt“ mit Juden verboten ist.Zuvor hatte das örtliche Polizeipräsidium erfahren, dass nicht-jüdische Anwälte – unter ihnen auch NSDAP-Mitglieder, jüdische Mandanten vertraten. Das Rundschreiben enthält daher auch den Hinweis auf die Zusammenstellung einer polizeilichen Liste betroffener Anwälte, um ggf. Disziplinarmaßnahmen ergreifen zu können.
6. Mai 1935
Laut eines Lageberichts der Staatspolizeistelle Magdeburg wird im April 1935 ein Frau verhaftet. Sie hatte in der Öffentlichkeit “Rot Front” gerufen.
6. Mai 1935
Wegen Herstellung und Verbreitung illegaler Druckschriften der verbotenen Wachtturm- Bibel- und Traktat-Gesellschaft werden, so berichtet die Staatspolizeistelle, im April 1935 drei Angehörige der Zeugen Jehovas festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, “nach Art der Kommunisten die vervielfältigte Druckschrift ‘Jehovas Schlacht’ von Mann zu Mann weitergegeben” zu haben.
10. Juni 1935
Acht Tage vor Beginn wird der Prozess gegen den Schulleiter Albert Hirschland auf Plakatwänden, in Straßenbahnen und an weiteren Orten der Stadt reißerisch angekündigt. Auf antisemitischen Demonstrationen hetzen Mitarbeiter des „Stürmers“ über das „wahre Gesicht der Juden“.
18. Juni 1935
Vor dem Landgericht beginnt der Prozess gegen Albert Hirschland. Das Verfahren ist der erste antisemitische Schauprozess in Magdeburg und erregt reichsweit Aufmerksamkeit.Dementsprechend groß ist die mediale Berichterstattung. Der Prozess selbst findet in geschlossener Verhandlung statt. Nur führende Nationalsozialisten, ausgewählte Fotografen und die unmittelbar Beteiligten sind anwesend.
19. Juni 1935
Nach zweitägigen Verhandlungen wird Albert Hirschland zu zehn Jahren Zuchthaus mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.Der ehemalige Schulleiter sei ein „gefährlicher Gewohnheitsverbrecher“ und wird illegaler sexueller Handlungen mit Schülerinnen für schuldig befunden.
28. Juni 1935
Die Polizei veranlasst die Schließung der „Obstweinschänke“, einem beliebten Treff Homosexueller in Magdeburg.
1. Juli 1935
Das Kammergericht Berlin verurteilt den Widerstandskämpfer Hermann Thor wegen der “Vorbereitung zum Hochverrat” zu einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren. Er soll als Unterbezirksleiter für Magdeburg-Anhalt die Parteiarbeit für die verbotenen KPD fortgesetzt haben. Thor wird nach Verbüßung der Haftstrafe in das KZ Sachsenhausen überführt.
1. Juli 1935
Das Berliner Kammergericht verurteilt Marie Kühne aus der Alten Neustadt zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus. Sie war am 24. Juni 1934 zusammen mit ihrem Mann Willi Kühne wegen Tätigkeit im kommunistischen Widerstand verhaftet worden. Willi Kühne wurde zu einer 18monatigen Freiheitsstrafe verurteilt.
5. Juli 1935
Die Staatspolizei für den Regierungsbezirk Magdeburg verschickt Fragebögen zur Erfassung sämtlicher jüdischer Berufsumschulungslager.Auf dessen Grundlage wird die polizeiliche Kontrolle jüdischer Organisationen verschärft. Unter anderem sollte damit sichergestellt werden, dass sämtliche Aktivitäten der Vorbereitung einer möglichen Auswanderung dienen.
19. Juli 1935
Die Mitgliederversammlung der Magdeburger Freimauer beschließt die Auflösung der Loge.Der Auflösung war ein monatelanger Verfolgungsdruck durch den nationalsozialistischen Staat vorausgegangen. Ihr repräsentatives Logengebäude war bereits 1934 von der Stadtbibliothek in Besitz genommen worden.
25. Juli 1935
Die NSDAP schaltet landesweit Anzeigen, in denen sie eine Sonderausgabe des „Stürmers“ zum Prozess gegen Albert Hirschland ankündigt.
25. Juli 1935
Der Volksgerichtshof verurteilt die kommunistische Widerstandskämpferin Eva Lippold zu neun Jahren Zuchthaus.Die Hälfte ihrer Strafe muss sie in Einzelhaft verbringen. Die spätere Lebensgefährtin von Hermann Danz war zunächst in Magdeburg und dann in Berlin für die Rote Hilfe aktiv.