4. Januar 1940
Der Magdeburger Sozialdemokrat Ludwig Wellhausen stirbt im KZ Sachsenhausen. Er wurde im Rahmen einer Gestapo-Aktion gegen die sozialdemokratische Widerstandsgruppe um Werner Bruschke im Januar 1939 verhaftet. Nach umfangreichen und quälenden Verhören wurde Wellhausen ohne Prozess im August 1939 in das KZ Sachsenhausen eingewiesen.
22. Januar 1940
Das Gesundheitsamt zeigt eine 29jährige Prostituierte als „asoziales Mädchen“ beim Sittenkommissariat der Magdeburger Polizei an und veranlasst ihre Überweisung an das KZ Ravensbrück.Bei der jungen Frau handele es sich „um eine debile, völlig haltlose und willensschwache Person“. Sie sei „nicht nur sittlich minderwertig, sondern beharrlich arbeitsscheu“, so das Gesundheitsamt. Solchermaßen denunziert, verbringt die Magdeburgerin 22 Monate in KZ-Haft. Im Februar 1944 wird sie erneut inhaftiert, kann aber die Haft in Ravensbrück überleben.
1. Februar 1940
Nach zwei Verhandlungstagen endet die erste Sitzung des „Sondergerichts beim Landesgericht Magdeburg“ mit Todesurteilen gegen zwei Genthiner.Sie waren im Dezember 1939 im Zusammenhang mit einen Eisenbahnunglück mit 278 Toten der „Leichenfledderei“ beschuldigt worden. Die Sondergerichte dienten vor allem der Ausschaltung politischer Gegner im Rahmen der Staatsschutz- und Terrorgesetze. Sie sollten allmählich die reguläre Gerichtsbarkeit ersetzen. Das Sondergericht Magdeburg befasst sich allein 1940 mit 311 Anklagen und fällt 249 Urteil, darunter zahlreiche Todesurteile.
2.-4. Februar 1940
Mindestens 36 Bewohner des „Zigeunerlagers“ werden durch Robert Ritter und seine Mitarbeiter der „Rassenhygienischen und erbbiologischen Forschungsstelle“ „untersucht“.Die dabei erstellten Gutachten enthalten anthropologische Daten, Fotos und „rassenbiologische“ Beurteilungen. Hintergrund der Untersuchungen ist ein Runderlass des Reichsinnenministeriums vom 8. Dezember 1938 zur „Bekämpfung der Zigeunerplage“. Mit dem Ziel der „endgültigen Lösung der Zigeunerfrage“ ordnete Himmler an, alle Sinti und Roma im Deutschen Reich nach rassischen Kriterien zu erfassen. Diese Aufgabe wird Ritters „Forschungsstelle“ übertragen, die bis Kriegsende über 24.000 „Rassegutachten“ von Sinti und Roma anfertigt. Die Gutachten bilden eine wesentliche Grundlage für die Selektion der Opfer und für ihre Deportation in die Konzentrations- und Vernichtungslager.
23. Februar 1940
Die Stadtverwaltung verbietet den „arischen“ Schneiderinnen und Näherinnen von Damenunterwäsche den Kontakt mit Jüdinnen. Dies betrifft auch den Verkauf solcher Waren.
28. Februar 1940
Die Gestapo nimmt das Ehepaar Franz und Else Massors fest. Sie hätten durch das Lesen und Verbreiten verbotener Zeitschriften die Internationale Bibelforschervereinigung „weitergeführt”.Franz Massors wird am 9. März 1944 wegen Wehrdienstverweigerung hingerichtet. Else Massor wird nach ständigen Misshandlungen am 16. Juli 1941 als haftunfähig entlassen.
31. März 1940
Bis zum Ende des ersten Quartals 1940 hat die Stadtverwaltung Magdeburg ein kommunales Sammellager für Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeiter aus Polen in einem alte Ziegeleigebäude an der Berliner Chaussee errichtet.
4. April 1940
Das Sittendezernat der Polizei kündigt den registrierten Prostituierten die Kasernierung im „Dirnenquartier“ an.Zugleich wird ihnen ein Merkblatt mit Anweisungen aus dem Runderlass des Reichsinnenministeriums zur „Polizeilichen Behandlung der Prostitution“ vom 9. September 1939 ausgehändigt. Die Regelungen sorgen für die Abkapselung der Prostituierten von der Gesellschaft. Fortan dürfen sie außerhalb ihrer zugelassenen Wohnungen nicht mehr ihrem Gewerbe nachgehen. Ihr Aufenthalt in der Öffentlichkeit wird zeitlich und räumlich beschränkt. Bei Zuwiderhandlungen wird den Betroffenen KZ-Haft angedroht. 21 Prostituierte entziehen sich den Zwangsmaßnahmen durch Aufgabe ihres Gewerbes und Wegzug aus der Stadt.
11. Juni 1940
Der kaufmännische Angestellte Paul Juhe erhängt sich im KZ Sachsenhausen.Er wurde zwei Tage zuvor wegen seiner Homosexualität in das Konzentrationslager eingewiesen.
12. Juni 1940
Die Gestapo nimmt Frieda Jess, Mitglied der Zeugin Jehovas, bis zum 13. April 1941 in Beugehaft und versucht sie zu Aussagen über ihren Arbeitgeber, dem Arzt Wilhelm Schumann, zu zwingen.Trotz schwerer Misshandlungen kann die Polizei keine Informationen erpressen.
23. August 1940
In einem Schreiben berichtet der Regierungspräsidenten der Provinz Sachsen, dass in Magdeburg bei verschiedenen Unternehmen insgesamt 1.435 westeuropäische Kriegsgefangene beschäftigt sind. 600 von ihnen sind in Lagern der „Arbeitsgemeinschaft Magdeburger Kriegsgefangenenlager“ untergebracht.
5. September 1940
Mitglieder des Zivilen Luftschutzes verweisen acht Prostituierte während eines Bombenangriffs aus dem Luftschutzkeller der „Füli-Lichtsspiele“.Andere Schutzsuchende hatten sich zuvor über das Verhalten einer der Prostituierten beschwert.
21. September 1940
Die Industrie- und Handelskammer teilt mit, dass in der Stadt nunmehr keine Geschäfte und Firmen von Juden ausländischer Identität betrieben werden.
24. Oktober 1940
Die Bezirksregierung erklärt den erfolgreichen Abschluss der “Entfernung” der Juden aus dem städtischen Wirtschaftsleben. Lediglich zwei Firmen wären noch zu “bearbeiten”, da ihre ehemaligen jüdischen Hauptanteilseigner nach England ausgewandert seien. Dabei handelt es sich um die Pumpenfabrik “Hannach & Co” und die Eisen- und Metallhandlung “Max Brandus GmbH”.
21. November 1940
Das Reichsinnenministerium weist das Gesuch des Spediteurs Harry König zurück, seine jüdische Verlobte Ruth Choinowski zu heiraten. Der Antrag zieht zahlreiche Repressalien wegen ihres “rassenschändlichen Verhältnisses” nach sich. Die Gestapo lädt König und Choinowski mehrfach zu Vernehmungen vor.