21. Februar 1939
Ab dem heutigen Tag müssen Jüdinnen und Juden binnen zwei Wochen alle persönlichen Wertgegenstände, die Edelmetalle, Edelsteine und Perlen enthalten, stark unter Wert in extra eingerichteten kommunalen “Ankaufstellen” veräußern. Die antisemitische Maßnahme ist Teil der zahlreichen Richtlinien zur Einschränkung und Konfiszierung von jüdischem Vermögen, die nach dem Novemberpogrom von der deutschen Regierung erlassen worden sind.
19. Januar 1939
Der Ortsverband des Hilfsvereins der Juden in Deutschland wird zwangsweise aufgelöst und aus dem Vereinsregister gelöscht. Die Maßnahme ist Teil der verschärften antisemitischen Gesetzgebung nach dem Novemberpogrom von 1938. Nachdem jüdische Bürger:innen bereits weitgehend aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen sind, erfolgen nun verstärkt wirtschaftliche Repressalien und die Aufhebung der innerjüdischen organisatorischen Eigenständigkeit.
12. Januar 1939
Die Gestapo verhaftet 20 Mitglieder Magdeburger SPD-Widerstandsgruppen, unter ihnen Ernst Lehmann, Werner Bruscke und Ludwig Wellhausen. Mit Ausnahme der drei Hauptverdächtigen werden alle nach langen Verhören wieder entlassen. Wellhausen wird im August 1939 ohne Prozess im KZ Sachsenhausen interniert, wo er wenig später ums Leben kommt. Bruschke und Lehmann verbringen mehr als zwei Jahre in Untersuchungshaft und werden wegen Verstoßes gegen das Parteienverbotsgesetz zu 12 bzw. 15 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Strafe ist durch die Untersuchungshaft abgebüßt, jedoch werden beide noch im Gerichtssaal von der Gestapo in „Sicherheitsverwahrung“ genommen. Bruschke wird KZ Sachsenhausen und später im KZ Dachau interniert, Lehmann im KZ Neuengamme.
3. Januar 1939
Das bereits 1936 zwangsweise veräußerte Kaufhaus Barasch wird endgültig aus dem Handelsregister gelöscht. Damit ist die „Arisierung“ des beliebten Kaufhauses formal abgeschlossen.
7. Dezember 1938
Nach dem Pogrom vom 9. und 10. November emigrieren die zwei Lehrer der im Sommer eingerichteten „Judenschule“ mit ihren Familien. Ein Unterricht ist seitdem nicht mehr möglich und wird am 7. Dezember von der Stadtverwaltung offiziell ausgesetzt. Eine zumindest rudimentäre Beschulung sollte erst wieder zu Beginn 1939 auf der Tagesordnung stehen.
5. Dezember 1938
In einem Schauprozess verurteilt der Volksgerichtshof den Reichschulungsleiter des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes, Julius Phillipson, wegen „Hochverrats“ zu einer lebenslangen Haftstrafe.Dem im August 1937 Verhafteten wird als Jude die „Verführung“ der „arischen“ ISK-Mitglieder vorgeworfen. Phillipson wird im Zuge der „Säuberung“ von Haftanstalten nach Auschwitz deportiert, wo er 1943 ums Leben kommt.
1. Dezember 1938
Das Finanzministerium in Magdeburg fordert bis zum 22. Dezember detaillierte Statistiken über jüdische Vermögenswerte. Auf dieser Basis werden die zu zahlenden Beträge von Juden im Regierungsbezirk Magdeburg als „Buße“ für das Pogrom vom 9. und 10. November festgesetzt. Dies und andere Maßnahmen drängen Juden endgültig aus dem Wirtschaftsleben.
15. November 1938
Auf Grundlage eines Erlasses des Reichsministeriums für Erziehung werden endgültig alle jüdischen Schüler vom Besuch der öffentlichen Schulen ausgeschlossen.
10. November 1938
In einem Prozess vor dem Volksgerichtshof werden die 20 Magdeburger Mitglieder des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes wegen ihrer antifaschistischen Aktivitäten zu Zuchthausstrafen verurteilt.Zwei Gruppenmitglieder überlebten die Haft nicht. Die ISK-Gruppe war um den Jahreswechsel von der Gestapo zerschlagen worden.
9./10. November 1938
Im Rahmen der reichsweiten Pogrome werden mindestens 30 Geschäfte sowie mehrere Arztpraxen und Wohnungen von Juden in der Nacht und im Laufe des 10. Novembers verwüstet.Der Innenraum der Synagoge wird von der SA mit Sprengstoff zerstört. Unterlagen der jüdischen Gemeinde und religiöse Kultgegenstände werden auf dem Hof der Synagoge verbrannt. Gestapo, SS und SA drangsalieren und misshandeln jüdische Bürger. 120 Männer werden verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt. Das Pogrom bildet den brutalen Schlusspunkt für das öffentliche jüdische Leben in Magdeburg sowie den Auftakt zur Ghettoisierung. Die Nationalsozialisten hatten das tödliche Attentat auf den Sekretär der Deutschen Botschaft in Paris, Ernst von Rath, zum Anlass genommen, um in ganz Deutschland und Österreich die gewalttätigsten Pogrome gegen die Juden seit dem Mittelalter zu entfesseln. In Magdeburg hetzte NSDAP-Kreisleiter Rudolf Krause am Abend des 9. November SA-, SS- und Parteiangehörige zu den antisemitischen Ausschreitungen auf.
27.-29. Oktober 1938
Im Rahmen der „Polenaktion“ werden mindestens 135 Jüdinnen und Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit (davon 74 aus Magdeburg) verhaftet und ausgewiesen. Insgesamt müssen 17.000 Menschen Deutschland verlassen. Sie werden aus ihren Wohnungen geholt, zu Sammelstellen getrieben und schließlich über die polnische Grenze abgeschoben.
24. Oktober 1938
Den letzten fünf noch tätigen jüdischen Anwälten in Magdeburg wird auf Grundlage der „Fünften Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ die Zulassung zum 1. Dezember 1938 entzogen.Im April 1933 hatte es 27 niedergelassene Anwälte jüdischen Glaubens in Magdeburg gegeben. Ein Jahr später waren nur noch 13 eingetragen und von diesen im Gefolge der Nürnberger Gesetzte nur noch fünf beim Landgericht zugelassen.
3. September 1938
Auf Grundlage eines reichsweiten Dekrets vom 25. Juli 1938 beginnt in Magdeburg die Auflösung der „staatszionistischen“ Organisationen.Zu ihnen zählen die Ortsgruppen der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und des Palästina-Amtes sowie mehrere Jugendgruppen. Als „Volks- und Staatsfeinden“ wird ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt.
30. August 1938
Bereits ein Monat vor Inkrafttreten wird in Magdeburg ein Erlass umgesetzt, der allen Juden im Deutschen Reich jegliche Geschäftsreise oder die Vertretung einer Firma verbietet. Mit dem Erlass werden die letzten noch geduldeten jüdischen Unternehmungen – z.B. Ausnahmeregelungen für Kriegsveteranen – unmöglich gemacht. Bis dato kamen die Ausnahmen von der antisemitischen Gesetzgebung vor allem den freien Berufen zugute.
26. August 1938
Wegen angeblicher „Rassenschande“ in zwei Fällen wird der jüdische Arzt Dr. Erich Böhm verurteilt. Das Gericht spricht ihn wegen einer Beziehung zu einer „Arierin“ – zugleich Hauptzeugin im Prozess – schuldig. Der Fall zeigt, wie gefährlich mittlerweile der Kontakt von Juden zu Nichtjuden geworden ist.
25. Juli 1938
Die „Vierte Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ entzieht allen verbliebenen jüdischen Ärzten ihre Zulassung. Bis Ende Oktober 1938 müssen in Magdeburg 25 Praxen schließen.
11.-18. Juni 1938
Im Rahmen der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ setzt die Magdeburger Polizei in einer zweiten Verhaftungswelle insgesamt 118 Männer, davon 21 Juden sowie mindestens 44 Sinti und Roma.Ein Großteil der Verhafteten wird in die Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen eingewiesen. Die meisten Festgenommenen kommen nie wieder in Freiheit.
1. Juni 1938
In der Kleinen Schulstraße 24 beginnt der Unterricht in der Magdeburger „Judenschule“. Fortan werden hier unter beengten Verhältnissen 85 Schüler unterrichtet.Auf Weisung aus Berlin dürfen jüdische Kinder und Jugendliche ab 1938 bis auf wenige Ausnahmen nur noch in gesonderten „Judenschulen“ unterrichtet werden. Damit sollen jüdische Kinder weiter isoliert und ausgegrenzt werden. Bereits im Mai 1937 hatte die Stadtverwaltung Magdeburg die Beschulung jüdischer Kinder in gesonderten Schulen gefordert.
11. Mai 1938
Nach einer mehrmonatigen Haftstraße wird Anna Jordan wegen ihrer Mitgliedschaft bei den Zeugen Jehovas in das KZ Lichtenburg überwiesen.Anfang 1939 deportierte man sie in das KZ Ravensbrück, wo sie im August desselben Jahres im Arrest verhungerte.
21.-27. April 1938
Im Rahmen der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ werden bei einer ersten Verhaftungswelle 70 Männer aus der Region im Polizeigefängnis inhaftiert.Davon sind überwiegend Obdachlose und Nicht-Sesshafte betroffen. 27 von ihnen werden am 21. Mai nach Buchenwald überstellt.
28. März 1938
Im Frühjahr 1938 verlieren die jüdischen Gemeinden in Deutschland ihren Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit zugleich ihren offiziellen Status als Religionsgemeinschaft.Die Synagogen-Gemeinde Magdeburg kann ihre Tätigkeit fortan nur noch als Jüdische Kultusvereinigung (Synagogen-Gemeinde e.V.) weiterführen.
11. Februar 1938
Heinrich Hunger wird aufgrund seiner religiösen Tätigkeit bei den Zeugen Jehovas verhaftet.Nach Verbüßung der Haftstraße in Magdeburg wurde er in das KZ Dachau verschleppt. Dort kam er am 17. Oktober 1942 ums Leben.
17. Dezember 1937
Das Sondergericht in Halle verurteilt Ludwig Göbel, Gruppendiener der Zeugen Jehovas in Magdeburg, zu 27 Monaten Haft.
1. November 1937
Ein Erlass des preußischen Kultusministeriums untersagt Kindern von Beamten den Besuch (konfessioneller) Privatschulen.Dies betrifft u.a. das Lyzeum in der Prälatenstraße, die St.-Norbert-Grundschule und vier weite katholische Schulen in Magdeburg. Im Schnitt verlieren die Schulen durch den Erlass etwa ein Drittel ihrer Schülerschaft.
30. Oktober 1937
Die Gestapo verhaftet Ludwig Göbel, Mitglieder der Zeugen Jehovas, wegen Fortführung der religiösen Tätigkeit.Als Leiter der Magdeburger Gemeinde hatte er ihre Mitglieder mit Schriften der Glaubensgemeinschaft versorgt und war an der Organisation von Protesten beteiligt.
24. Oktober 1937
Die Gestapo verschärft ihr Vorgehen gegen die Zeugen Jehovas. Zwischen 24. Oktober 1937 und 24. März 1938 werden allein in Magdeburg 79 Mitglieder der Zeugen Jehovas verhaftet.Die meisten von ihnen werden zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt.
22. Oktober 1937
Mit Drucksache 327 der Stadtverwaltung ist die Einrichtung von zwei „reinjüdischen“ Klassen in einem Nebengebäude der 2. Gemeindeschule vorgesehen.Die Erziehung sollte dort vor allem mit dem Ziel der Vorbereitung auf eine Auswanderung erfolgen.
21. September 1937
Die Schulbeiräte der Magdeburger Gemeindeschulen stimmen der Einrichtung einer separaten „Judenschule“ zu.Seit Juli 1937 hat es entsprechende Pläne der Stadtverwaltung gegeben. Die Initiative hierzu war vom örtlichen NSDAP-Leiter ausgegangen.
21. September 1937
Das Oberlandesgericht Magdeburg verurteilt den jüdischen Bankier Philipp Schmulewitz in einem zweiten Schauprozess zu sieben Jahren Zuchthaus und 315.000 RM Geldstrafe.Außerdem werden ihm zehn Jahre die Grundrechte aberkannt. Hintergrund ist der unbewiesene Vorwurf illegalen Devisenhandels.
20. September 1937
Erstmals wird gegenüber Mitgliedern der Zeugen Jehovas “Schutzhaft” in Verbindung mit der Einweisung in ein Konzentrationslager verhängt.Eine Angehörige der Glaubensgemeinschaft wird im Polizeipräsidium inhaftiert und am 16. Oktober in das KZ Moringen überstellt. Bis 1940 wurden 14 weitere Mitglieder der Bibelforschervereinigung in den Konzentrationslagern Moringen, Sachsenhausen, Lichtenburg, Buchenwald und Ravensbrück interniert.