29. Dezember 1933
Vor dem Zwangsverkauf durch die Stadt findet im Haus der Freimaurerloge “Ferdinand zur Glückseligkeit” eine letzte festliche Zusammenkunft der Logenbrüder statt. Nach monatelangen Schikanen der Baupolizei wird das Logengebäude entschädigungslos enteignet, ebenso wie Inneneinrichtung und Bibliothek. Das Haus wird wenig später von der Stadtbibliothek Magdeburg in Besitz genommen.
15. November 1933
Nach der polizeilichen Aufdeckung der Anlaufadressen kommunistischer Funktionäre verhaftet die Gestapo Dutzende KPD-Mitglieder, unter ihnen Karl Raddatz und Herrmann Danz. Beide werden 1934 wegen Hochverrats zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
7. November 1933
Wegen anhaltender Überfüllung werden weitere Häftlinge aus den Magdeburger Schutzhaftlagern in das KZ-System – diesmal in das KZ Sonnenburg bei Küstrin – überstellt.
5. September 1933
Aus den Schutzhaftlagern der Polizei werden Häftlinge in das neu errichtete KZ Brandenburg überführt.
21.-24. August 1933
Nach der Besetzung und Schließung des “Bibelhauses” der Zeugen Jehovas werden sämtliche Schriften des Versandlager der “Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft” am Stadtrand öffentlich verbrannt. Unter den mehr als 65 Tonnen an Druckerzeugnissen befanden sich auch Tausende Bibeln. Die Bitte der Zeugen Jehovas, die Bücher einstampfen zu lassen, und den Erlös aus der Aktion Arbeitslosen zugute kommen zu lassen, wurde verwehrt.
11. August 1933
Ernst Reuter, von den Nationalsozialisten abgesetzter Oberbürgermeister Magdeburgs, wird vom Polizeigefängnis in das KZ Lichtenburg in Prettin überführt. Dort ist er als prominenter Häftling besonders schweren Misshandlungen ausgesetzt.
6. August 1933
Zum ersten Mal werden sog. Schutzhäftlinge – politische Gegner des NS-Regimes – aus dem Polizeigefängnis in Sudenburg in das KZ Lichtenburg überstellt.
21. Juli 1933
Wegen des “Verdachts staatsfeindlicher Einstellung” wird das der Gewerkschafter Robert Schröder aus seiner Anstellung bei der Aktien-Brauerei Magdeburg entlassen. Er sei “in besonders gehässiger Weise gegen die Kräfte der nationalsozialistischen Bewegung” hervorgetreten. Schröder gehörte bis zu seiner erzwungenen Auflösung am 1. Juni 1933 dem Betriebsrat des Unternehmens an.
5. Juli 1933
Aus dem überfüllten Polizeigefängnis werden die ersten Häftlinge in das neu errichtete Schutzhaftlager in der Kaserne der Schutzpolizei am Schroteplatz überführt. In diesem provisorischen KZ sind zeitweise bis zu 300 Schutzhäftlinge interniert.
28. Juni 1933
Nach dem Verbot der “Internationalen Bibelforschervereinigung” (“Zeugen Jehovas”) werden deren Bundesgebäude von der Polizei geschlossen. Dutzende SS-Männer besetzen das “Bibelhaus”, verschließen die Druckerei und hissen auf dem Dach die Hakenkreuzfahne. Bis Ende 1933 werden die letzten Mitarbeiter:innen der Vereinigung von der Gestapo zur Aufgabe der Gebäude gezwungen. Viele ihrer Mitglieder werden verhaftet und in Konzentrationslagern interniert.
24. Juni 1933
Nach dem Verbot der SPD am 22. Juni werden mehr als 230 sozialdemokratische Funktionäre aus Magdeburg und Umgebung in “Schutzhaft” genommen. Wie auch hunderte Kommunisten misshandeln SA und Staatspolizei die inhaftierten Sozialdemokraten in zahlreichen “wilden Konzentrationslagern” – in Polizeikasernen, im Stadion “Neue Welt” oder dem nahegelegenen Schloss Dornburg und im Schloss Lichtenburg bei Prettin.
17. Juni 1933
Der nationalsozialistische “Mitteldeutsche Zeitungsblock” bemächtigt sich der Verlagsstätten der sozialdemokratischen Volksstimme. Fortan wird hier das “Neue Magdeburger Tageblatt” produziert, das ab 1935 unter dem Titel “Der Mitteldeutsche” erscheint.
10. Juni 1933
Der Magdeburger Polizeichef, SA Gruppenführer Konrad Schragmüller, lässt den gewaltsam abgesetzten Oberbürgermeister Ernst Reuter (SPD) verhaften. Unter Bezugnahme auf das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ wird Reuter wenige Wochen später, am 29. Juli, endgültig aus dem Stadtdienst entlassen.
30. Mai 1933
Im Stadion “Neue Welt”, bis dato Sportanlage des Reichsbanners “Schwarz-Rot-Gold”, richtet die SA ein Schutzhaftlager (“wildes KZ”) ein. Am 30. Mai 1933 werden die ersten politischen Häftlinge hierher verlegt.
23. Mai 1933
Auf einer Zugfahrt von Leipzig nach Magdeburg wird der ehemalige KPD-Reichstagsabgeordnete und Sekretär der “Revolutionären Gewerkschafts-Opposition” für den Bezirk Magdeburg, Ernst Brandt, in “Schutzhaft” genommen und in das Polizeigefängnis Magdeburg überführt. Von dort wird er einen Tag später nach Berlin sowie bis April 1934 in den Konzentrationslagern Sonnenburg, Esterwegen und Börgermoor interniert.
20. Mai 1933
Der Regierungspräsident berichtet, dass das Polizeigefängnis sowie die zwei provisorischen Schutzhaftlager im Hof des Polizeipräsidiums und in der Polizeiturnhalle am Zollhafen mit 125 „Schutzhäftlingen“ belegt seien.
2. Mai 1933
Nach dem martialisch gefeierten “Tag der Arbeit” besetzen SA und SS-Mitglieder der Magdeburger „Standarte 21“ gewaltsam die Büros der freien Gewerkschaften. Auch das erst 1932 fertiggestellte “Haus der Gewerkschaften“ am Ratswaageplatz wird in Besitz genommen und wenig später von der DAF als „Haus der deutschen Arbeit“ wiedereröffnet.
30. April 1933
Aufgrund seiner aktiven KPD-Mitgliedschaft wird Martin Schwantes aus dem Schuldienst entlassen. Schwantes war ab 1927 als Hilfslehrer an Magdeburger Volks- und Mittelschulen tätig gewesen.
29. April 1933
Der neue Staat wird zum Land der Lager: In der Turnhalle der Wasserschutzpolizei am Zollhafen wird ein erstes “Schutzhaftlager” eingerichtet. Hierher werden Ende April 1933 die ersten Häftlinge aus dem Polizeigefängnis werden wegen Überfüllung verlegt.
24. April 1933
SA und Polizei besetzen gewaltsam das „Bibelhaus“, Reichszentrale der Internationalen Bibelforschervereinigung („Zeugen Jehovas“). Auf amerikanischen Druck hin wird das Gebäude am 29. April wieder frei gegeben.
24. April 1933
Nach den Kommunalwahlen vom 12. März werden auf Basis des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ politische „Säuberungen“ vorgenommen. Der neue nationalsozialistisch und deutschnational dominierte Magistrat beschließt auf seiner Sitzung am 24. April die Entlassung des Oberbürgermeisters Reuter, des Bürgermeisters Dr. Herbert Goldschmidt, des Stadtkämmerers Max Pulvermann, des Stadtmedizinalrats Dr. Paul Konitzer, des Stadtschulrats Dr. Gustav Robert Löscher sowie der Stadträte Wilhelm Haupt und Ernst Wittmaack. Stadtrat Dr. Arnold wird in den Ruhestand versetzt. Im Sommer wird auch Johannes Göderitz, Stadtrat für den Hochbau, entlassen. Insgesamt kommt es in Magistrat und Stadtverwaltung in den ersten Monaten der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ zur Entlassung von etwa 600 städtischen – vor allem sozialdemokratischen – Angestellten.
11. April 1933
Unter dem Vorwurf der “Rassenschande” und Sittlichkeitsverbrechen wird der Rechtsanwalt und Vorsitzende der Magdeburger Ortsgruppe des Jüdischen Frontkämpferbundes, Dr. Willi Spanier, von der SA in Schutzhaft genommen. Die zuständigen Richter sehen jedoch keinen ausreichenden Verdacht für einen Haftbefehl. Erst im Januar 1935 sollte es zu einem Prozess gehen Spanier kommen.
11. April 1933
Im Justizpalast an der Halberstädter Straße fällt eine Menschenmenge über Rechtsanwälte jüdischer Herkunft her.
6. April 1933
In Puppendorf an der Berliner Chaussee und im Stadion „Neue Welt“ kommt es nach einer Denunziation zu einer Großrazzia durch Schutzpolizei sowie SA- und SS-Verbänden. Gesucht wird nach angeblichen Waffenlagern der KPD. Gefunden wird jedoch nichts.
5. April 1933
Die bei der “Durchsuchung” vom 2./3. April entwendeten Schriften der Volksstimme und des sozialdemokratischen Verlagshauses Pfannkuch & Co werden von SA und SS öffentlich auf dem Domplatz verbrannt. Das Autodafé zieht zahlreiche Schaulustige an. Zuvor wurden die Schriften und Bücher bereits unter dem Jubel der Umstehenden durch die Innenstadt zum Domplatz gebracht.
Den Flammen fallen auch die 10.000 Bände der Arbeiterbibliothek zum Opfer, die der Archivar und Schriftsteller Friedrich Henneberg seit 1913 aufgebaut hatte.
2./3. April 1933
In der Nacht dringen mehr als 60 Mitglieder des Magdeburger „SS-Sturmbann I/21“ und des „Stabs II/21“ in das Geschäftshaus der Volksstimme ein. Während der Durchsuchung werden zahlreiche Schriften und Materialien beschlagnahmt. Zwei Wochen später erfolgt eine erneute Durchsuchung, diesmal durch die Kriminalpolizei. Das Gebäude wird anschließend offiziell konfisziert.
1. April 1933
Der Boykott jüdischer Geschäfte trifft auch den Internisten Dr. Aufrecht, dessen Praxisräume sich seit 1930 in der Otto-von-Guericke-Straße befinden. Die SA überklebt das Praxisschild mit der Drohung „Achtung, Jude! Besuch verboten!“ und postiert sich zur Beobachtung im Hauseingang. Einem Patienten, der sich von einem Praxisbesuch nicht abschrecken lässt, wird wenige Tage später vor die Haustür geschmiert: „Pfui, Verräter – geht zum Judenarzt!“.
1. April 1933
Auf dem Breiten Weg und vielen anderen Straßen verfolgen Schaulustige den Boykott jüdischer Geschäfte. SA und SS beziehen zur Abschreckung potentieller Kunden vor den Unternehmen Posten. Schilder von Arztpraxen und Anwaltskanzleien werden mit roten Zetteln beklebt, auf denen „Achtung Jude“ zu lesen ist. Zahlreiche Geschäfte wie das Kaufhaus Barasch und das Schuhhaus Rheingold müssen aufgrund der Boykottaktionen schließen. Am Nachmittag hält die NSDAP zwei Massenkundgebungen ab. Auf ihnen entwirft der Parteikreisleiter Krause das Bild einer Bedrohung durch das „Weltjudentum“, der mit der „Nationalen Revolution“ geantwortet werde. Erst am 5. April wird in Magdeburg das Ende der Boykottaktionen verkündet. In den Folgejahren kommt es immer wieder zu Angriffen auf jüdische Geschäfte.
24. März 1933
Die Polizei beschlagnahmt bei Durchsuchungen auf einem Grundstück an der Stephansbrücke und in einer Baracke an der Walter-Rathenau-Straße kommunistische Druckschriften und einen Vervielfältigungsapparat.
21. März 1933
6.000 Angehörige von SA, SS und Stahlhelm marschieren am Abend zum Alten Markt und besetzen ein drittes Mal innerhalb weniger Tage das Rathaus. Sie ernennen den SA-Standartenführer Max Schulze zum “kommissarischen Oberbürgermeister”. Damit nutzen auch in Magdeburg die drei “nationalen” Verbände den “Tag von Potsdam” zu einer Machtdemonstration. Vor der Rathausbesetzung hatten sie sich zu mehreren Kundgebungen in der Stadt versammelt und im Dom einen Festgottesdienst abgehalten.