27.-29. Februar 1936
Die Staatspolizeistelle Magdeburg nimmt 24 Funktionäre der illegalen KPD fest.Unter den Inhaftierten befinden sich Jakob Westermann (Stadtteilleiter in Sudenburg und zeitweise Politischer Leiter der Partei für den Bezirk Magdeburg-Anhalt), Louis Koch (Altstadt), Emanuel Larisch (Buckau), Gustav Hamel (Leiter der Roten Hilfe in Buckau), Wilhelm Kutz (Techniker der Bezirksleitung) sowie Friedrich Wagner und Otto Werner Kessler (Kassierer der Bezirksleitung). Verhaftet werden auch Funktionäre aus dem Kommunistischen Jugendverband und der Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit. Mit den Festnahmen gelang es der Gestapo, den organisierten Widerstand der KPD im Bezirk Magdeburg-Anhalt zu zerschlagen.
24. Februar 1936
Julius Fischel, Isidor Gans und August Oehm – leitende jüdische Angestellte des Kaufhauses Barasch – werden wegen “Rassenschande” zu Gefängnisstrafen verurteilt.Ihnen werden Beziehungen zu nicht-jüdischen Angestellten zur Last gelegt. Bereits im Dezember 1935 wurden sie deshalb auf polizeilichen Druck hin entlassen. Vor dem Hintergrund einer öffentlichen Kampagne gegen die jüdische Belegschaft des Kaufhauses reichen in den folgenden Wochen zahlreiche Mitarbeiter ihre Kündigung ein.
16. Januar 1936
Die Staatspolizei für den Regierungsbezirk Magdeburg verbietet Juden das Tragen von Abzeichen des Reichs-Sportbundes.Dies betrifft sowohl die Senioren- als auch die Jugendabteilungen. Die Gruppenführer der Jugendabteilungen sollen zudem die „arische Abstammung“ ihrer Mitglieder sicherstellen. Zahlreiche jüdische Jugendliche werden daraufhin aus den nicht-jüdischen Sportvereinen ausgeschlossen.
14. Dezember 1935
Sechs leitende jüdische Angestellte des Kaufhauses Barasch werden in Gewahrsam genommen. Um das Geschäft wieder öffnen zu können, stellt der jüdische Besitzer, Hermann Broder, an ihrer statt “arische” Fachkräfte ein. Die Kampagne gegen das Kaufhaus veranlasst zahlreiche weitere jüdische Mitarbeiter:innen zu kündigen. So unter Druck gesetzt, prüft Broder den Verkauf seines Unternehmens.
12. Dezember 1935
Die Staatspolizeistelle verfügt die vorläufige Schließung des Kaufhauses Barasch. Dem Besitzer wird mitgeteilt, dass das Geschäft erst wieder am 14. Dezember nach Austausch aller leitenden Angestellten durch “arisches” Personal öffnen könne. Zuvor hatte ein Informant männliche Angestellte denunziert, “ernst zu nehmende Sittlichkeitsvergehen” gegen weibliche Angestellte begangen zu haben.
9. Dezember 1935
Die Staatspolizeistelle untersagt öffentliche Werbekampagnen für die Jüdische Winterhilfe. Verstöße seien zu melden und anzuzeigen.
2. Dezember 1935
Die Gestapo untersagt grundsätzlich alle jüdischen Veranstaltungen an christlichen Feiertagen und Sonntagen. Grund hierfür seien eingeschränkte Überwachungsmöglichkeiten an diesen Tagen.
2. Dezember 1935
Der Polizeipräsident verfügt, dass Jüdinnen und Juden nur dann Milch zu verkaufen sei, wenn diese ein “akzeptables Äußeres” und ein “unscheinbares Auftreten” hätten.
28. November 1935
Ein Händler fordert mit einer Anzeige, Jüdinnen und Juden aus dem Viehhandel zu drängen und eine öffentliche Empörung gegen jüdische “Preistreiberei” zu schüren. Das unterstellte jüdische Handelsmonopol führe zu “Unzufriedenheit und Unruhen in der örtlichen Bevölkerung”.
11. November 1935
Mehrere Anzeigen bei der Polizei beklagen, dass es noch immer jüdische Händler:innen gebe, die „arische“ Firmen vertreten. Die Polizei wird gebeten dagegen vorzugehen. Ebenso werden Bauern angezeigt, die Geschäfte mit jüdischen Viehhändler:innen betreiben würden. Hintergrund ist eine Anordnung des Reichswirtschaftsministers vom 25. September, “nicht-arische” Händler:innen von sämtlichen Märkten auszuschließen.
4. November 1935
Maria Gottschalk, Lehrerin am privaten Elisabeth-Rosenthal-Gymnasium wird als Jüdin aus dem Schuldienst entlassen.
29. Oktober 1935
Die Gestapo nimmt den Diözesanleiter des Katholischen Jungmännerverbandes Paderborn-Ost, Max Meinner, wegen “staatsfeindlicher Äußerungen” fest. Meinner hatte kirchenöffentlich mehrfach die Verfolgung der katholischen Kirche kritisiert und die “Sittenverderbnis” der Hitlerjugend gebrandmarkt.
20. Oktober 1935
Studienrat Hans Rothenberg, Lehrer an der Lessing-Schule, wird als Jude mit sofortiger Wirkung suspendiert.
16. Oktober 1935
Die Bezirksregierung weist alle Geldinstitute und die städtische Feuerwehr an, jüdische Angestellte zu suspendieren.
12. Oktober 1935
Nach wochenlanger Beobachtung nimmt die Gestapo vier Personen wegen “Vorbereitung zum Hochverrat” fest. Die Beschuldigten hatten sich zusammengefunden, um sich kommunistische Druckschriften zu beschaffen und gemeinsam zu lesen. Drei Tage später werden wegen des gleichen Vorwurfs vier weitere Personen festgenommen.
8. Oktober 1935
Wenige Wochen nach Verkündigung der “Nürnberger Gesetze” verschickt die Bezirksregierung an ihre Behörden einen “Fragebogen zum Nachweis der arischen Abstammung”. Der fünfseitige Bogen muss von allen Angestellten in zweifacher Ausfertigung ausgefüllt zurückgegeben werden. Bis zum 25. November müssen zudem die eigenen Geburtsurkunden sowie die der Eltern und Großeltern zur Überprüfung eingereicht werden.
Die Abstammungsüberprüfungen führen zur Empfehlung der Schulbehörde, vier städtische Lehrer:innen „jüdischer Abstammung“ aus dem Schuldienst zu entlassen.
5. Oktober 1935
Die Stapostelle Magdeburg berichtet von der Verhaftung von insgesamt 19 Personen im September 1935 im Stadtgebiet. Hintergrund ist in den meisten Fällen “mündliche kommunistische Propaganda“”.
4. Oktober 1935
Alle Beamten im Gau Magdeburg-Anhalt werden angewiesen, keinesfalls in “nicht-arischen” Einrichtungen einzukaufen.
24. September 1935
Bei einer Boykottaktion gegen jüdische Käufer:innen werden in den Geschäften eigens von der NSDAP gefertigte Schilder mit der Aufschrift “Juden sind hier unerwünscht!” aufgehängt. Die von der Partei zur Verfügung gestellten Hetzschilder sollen dem Boykott Einheitlichkeit geben und den “Gemeinschaftssinn” stärken.
21. September 1935
Die Bezirksregierung Magdeburg verschickt an die Stadtverwaltung Fragebögen zur “Rassenzugehörigkeit” aller Schüler:innen. Die ausgefüllten Bögen sind bis zum 1. November zurückzuschicken. Hintergrund war das Bemühen, jüdische Schüler:innen vom Besuch staatlicher Schulen auszuschließen.
8. September 1935
Die Staatspolizeistelle verbietet allen Jüdinnen und Juden den Besuch des Stadtarchivs, der Bibliotheken und der Buchläden. Auch die städtischen Bäder sollen sie nicht betreten.
6. September 1935
Die Gestapo Magdeburg verhaftet Gerhard Holzer, Leiter des Betriebsberichterstatter-Apparats der KPD in Magdeburg. Der gelernte Former initiierte den Aufbau von KPD-Betriebszellen im Untergrund und lieferte den Parteigremien Informationen aus der Magdeburger Rüstungsindustrie.
3. September 1935
Die Gestapo nimmt das KPD-Mitglied Karl Wagner fest. Zuvor hatte die Stapostelle Berlin den dortigen Parteiapparat unterwandert und Verbindungen nach Magdeburg aufgedeckt. Die Aktion ist Teil einer Verhaftungswelle gegen 150 KPD-Funktionär:innen im Regierungsbezirk Magdeburg. Der Polizeieinsatz zwischen September 1935 und Mai 1936 zerschlägt für mehr als sieben Jahre den organisierten Widerstand der KPD in der Region.
2. September 1935
Die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Magdeburg verfügt die Anlegung einer Kartei sämtlicher Jüdinnen und Juden sowie jüdischer Organisationen. Vierteljährlich aktualisiert, dokumentiert die Liste in dreifacher Ausfertigung auch Abgänge durch Umzug, Tod oder Auswanderung.
24. August 1935
Die Kaufhäuser Barasch und Salberg werden zum Hauptziel des antisemitischen Mobs. Kund:innen werden bespuckt und geschlagen. Einige Tausend Demonstrant:innen blockieren die Eingänge zu den von Juden geführten Geschäften. Die Polizei erzwingt schließlich die vorübergehende Schließung der Kaufhäuser. Ihre Angestellten müssen durch die Hinterausgänge vor den gewalttätigen Massen fliehen.
23. August 1935
Die antisemtische Hetzkampagne anlässlich des Prozesses gegen Albert Hirschland zeigt Wirkung: Vor jüdischen Geschäften kommt es zu gewalttätigen Zusammenrottungen. Kund:innen werden beschimpft und fotografiert.
23. August 1935
Julius Streicher, Herausgeber des “Stürmers”, hält anlässlich des Schauprozesses gegen Albert Hirschland eine antisemitische Massenveranstaltung in der Stadthalle ab. In einer mehrstündigen Rede fordert er scharfe Maßnahmen gegen Jüdinnen und Juden. Begleitend zur Kundgebung verkünden im gesamten Stadtgebiet Transparente das “Stürmer”-Credo “Die Juden sind unser Unglück”. Vor Geschäften rufen Plakate zum Boykott jüdischer Geschäftsleute auf.
21. August 1935
Die Pressehetze gegen Albert Hirschland motiviert zahlreiche Institutionen zu antisemitischen Aktionen. Die Straßenbahndirektion lässt in ihren Bahnen Schilder mit der Aufschrift “Juden sind hier unerwünscht” anbringen. Und die Magdeburger Schlosserinnung veröffentlicht eine Erklärung gegen Jüdinnen und Juden.
21. August 1935
Die Staatspolizei weist an, dass Jüdinnen und Juden keinerlei Auskünfte mehr zu geschäftlichen Aktivitäten von Nichtjüdinnen und – juden erhalten sollen.
20. August 1935
In der Nacht zum 21. August 1935 verkleben Mitglieder des kommunistischen Widerstands in fast allen Stadtteilen Zettel mit Parolen gegen die NS-Regierung und mit einem Aufruf zur Einheitsfront. Dabei werden zwei Personen festgenommen und deren Wohnungen durchsucht.
Die Gestapo berichtet von 24 weiteren Festnahmen im Monat August in Magdeburg – überwiegend wegen “beleidigender Äußerungen gegen die Regierung”.