1. Januar 1934
Frank Osterroth, Redakteur der Reichsbanner-Zeitung und führendes Mitglied sozialdemokratischer Widerstandsgruppen in Magdeburg, geht mit seiner Familie ins Exil. Nur so kann er sich einer drohenden Verhaftung durch die Gestapo zu entziehen. Fortan agiert er von der Tschechoslowakei aus, bis er sich 1939 nach Schweden retten kann.
17. Januar 1934
Ernst Lehmann, Werner Bruschke und weitere frühere Mitarbeiter der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) werden verhaftet. Hintergrund ist eine Verhaftungswelle gegen die illegale SAJ-Leitung in Berlin. Da man den Magdeburgern jedoch keine illegale Tätigkeit nachweisen kann, werden sie einen Monat später wieder entlassen. Fortan werden sie jedoch von der Gestapo streng überwacht.
26. Januar 1934
Das Preußische Bildungsministerium fordert die Bezirksregierung in Magdeburg auf, binnen zwei Wochen über die Anzahl der Schüler jüdischer Herkunft in ihrem Zuständigkeitsbereich zu informieren. Hintergrund waren die Vorbereitungen, Kinder und Jugendliche aus jüdischen Familien auf rein jüdische Einrichtungen „umzustellen“, also zum Ausschluss aus dem öffentlichen Bildungssystem.
28. Februar 1934
Die Gestapo nimmt den jüdischen Amtsgerichtsarzt Dr. Sachs in “Schutzhaft”. Die nationalsozialistische Zeitung “Der Mitteldeutsche” hatte am selben Tag berichtet. dass Sachs das NS-Winterhilfswerk als “furchtbaren Nepp” bezeichnet habe. Gegen Dr. Sachs wird ein Strafverfahren eingeleitet, und er wird in den Ruhestand versetzt.
6. März 1934
Die Gestapo berichtet dass im Zusammenhang mit einem Verfahren gegen Mitglieder des kommunistischen Widerstands in Dessau im Februar 1934 auf Ersuchen der dortigen Staatspolizeistelle der ehemalige KPD-Funktionär Albert Wildt in Magdeburg festgenommen und nach Dessau überführt wurde. Wildt, seit 1918 Mitglied der KPD, war bereits im Mai 1933 bis November 1933 in “Schutzhaft” genommen worden.
6. März 1934
Die Staatspolizeistelle Magdeburg meldet, dass im Februar 1934 im Regierungsbezirk Magdeburg insgesamt 23 Personen in “Schutzhaft” – u.a. wegen “Beleidigung von Regierungsmitgliedern”, “kommunistischer Umtriebe” und “Vorbereitung zum Hochverrat” – genommen wurden.
11. März 1934
Die Beratungsstelle Magdeburg des Provinzial-Verbands für jüdische Wohlfahrtspflege berichtet, dass 40 junge Juden aus der Region an Vorbereitungskursen für eine Auswanderung teilnähmen. Landwirtschaftliche und handwerkliche Ausbildungen sollten einen guten Neustart in Palästina ermöglichen.
1. April 1934
Die Staatspolizeistelle Magdeburg wird eine eigenständige Dienststelle und bezieht das am 11. März 1933 von der SA beschlagnahmte Bundeshaus des Reichsbanners „Schwarz-Rot-Gold“. Das Haus in direkter Nachbarschaft des Klosters Unser Lieben Frauen ist fortan als „Braunes Haus“ bekannt.
10. April 1934
Nach zwei Prozesstagen verurteilt das Kammergericht 19 Mitglieder des kommunistischen Widerstands aus Staßfurt-Leopoldshall wegen “geheimen Weiterbestehens der KPD und der Verbreitung illegaler Schriften” zu Zuchthausstrafen zwischen 15 und 30 Monaten.
12. April 1934
Das Kammergericht verurteilt 13 Kommunisten aus Magdeburg wegen Verbreitung der illegalisierten KPD-Zeitschriften “Tribüne” und “Fanfare” zu Gefängnisstrafen zwischen 21 und 30 Monaten.
14. April 1934
Das Kammergericht verurteilt drei Mitglieder des kommunistischen Widerstands aus Groß-Ottersleben zu Haftstrafen von 30 Monaten. Anklage war wegen “Vorbereitung zum Hochverrat” sowie Waffen- und Munitionsbesitzes erhoben worden.
16. April 1934
Wegen Untergrundaktivitäten und Fortführung der KPD verurteilt das Kammergericht 15 Mitglieder des kommunistischen Widerstands zu Zuchthausstrafen zwischen 21 und 36 Monaten.
28. April 1934
Die Staatspolizeistelle Magdeburg berichtet, dass Veranstaltung jüdischer Verbände in der Stadt nur genehmigt werden, wenn sie in deutscher Sprache erfolgen. Veranstaltungen in hebräischer oder jiddischer Sprache würden die Überwachung erschweren.
8. Mai 1934
Die Gestapo berichtet über Festnahmen im Zusammenhang mit Aktivitäten des kommunistischen Widerstands. So wurden im April ein vier Flugblattverteiler festgenommen, darunter einem gebürtigen Österreicher. Verhaftet wurde außerdem das Ehepaar Vehse, wegen des Verdachts “besonders intensiver kommunistischer Tätigkeit”. Es wurde wenig später wegen fehlender Beweise wieder freigelassen.
5. Juni 1934
Die Staatspolizeistelle Magdeburg berichtet, dass im Mai in der Stadt mehrere Verteilaktionen kommunistischer Schriften stattgefunden haben. Unter anderem wurden Untergrundausgaben der “Jungen Garde”, Zentralorgan des Kommunistischen Jugendverbandes (KJVD), und des “Roten Pfeffers”, Satirezeitschrift der KPD, weitergegeben. Wegen der Verbreitung wurden insgesamt 23 Angehörige des kommunistischen Widerstands verhaftet. Gegen elf von ihnen wurde Haftbefehl wegen “Vorbereitung zum Hochverrat” erlassen.
24. Juni 1934
Die Gestapo verhaftet die Eheleute Marie und Will Kühne. Die beiden KPD-Mitglieder hatten in der Alten Neustadt eine Widerstandsgruppe geleitet. Sie hatten aktive politische Aufklärungsarbeit gegen den Nationalsozialismus geleistet, insbesondere unter den Frauen Magdeburgs.
9. Juli 1934
Die Stadt Magdeburg beginnt mit der Erstellung einer detaillierten Liste über sämtliche jüdische Einrichtungen und Organisationen. Dies markiert den Beginn der Vorbereitungen für die gesetzliche verankerte Ausgrenzung von Jüdinnen und Juden in Deutschland.
23. Juli 1934
Die Gestapo geht gegen Mitglieder des kommunistischen Widerstands wegen des versuchten Neuaufbaus des KPD-Bezirks Magdeburg-Anhalt vor. Fünf Personen werden in “Schutzhaft” genommen, unter ihnen die Magdeburger Kommunisten Emil Wisnewski und Paul Grensing. Sie hatten in der Region eine Widerstandsgruppe gebildet, die Zersetzungsaktionen gegen die SA durchführte. Bei Gensing wurden 67 im Ofen versteckte Flugschriften beschlagnahmt. Am 1. Juli 1935 werden Wisnewski und Grensing vom Berliner Kammergericht aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
2. August 1934
Das Reichserziehungsministerium verfügt die Entfernung des Barlach-Ehrenmals aus dem Dom sowie dessen Überweisung an die Nationalgalerie Berlin.
15. August 1934
Die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Magdeburg berichtet über die Verhaftung von sechs Personen Mitte Juli wegen der Verteilung kommunistischer Druckschriften. Gegen vier von ihnen erging Haftbefehl. Auch in Olvenstedt werden fünf Personen wegen der Verbreitung von KPD-Flugschriften festgenommen und dem Haftrichter vorgeführt.
24. September 1934
Wegen seines „unheroischen Charakters“ wird das Ehrenmals Ernst Barlachs für die Gefallenen des 1. Weltkriegs aus dem Dom entfernt. Seit 1933 hatten sich der Gemeindekirchenrat, Domprediger Ernst Martin und der Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums, Walter Greischel, darum bemüht. Als „Ersatz“ für das Totenmal erfolgen auch innerkirchlich Planungen zu Errichtung eines SA-Ehrenmals in unmittelbarer Nähe des Doms. Erst 1955 findet das Kunstwerk Barlachs wieder seinen Platz im Dom.
7. Oktober 1934
Die Gestapo beendet einer Zusammenkunft der Zeugen Jehovas und verhaftet alle 17 Teilnehmenden. Die Gruppe war einem Aufruf ihrer Weltzentrale gefolgt, am 7. Oktober 1934 weltweit gegen die Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu protestieren. Die Gruppe in Magdeburg hatte vor der Verhaftung die Verabschiedung eines Protestbriefs an die deutsche Reichsregierung diskutiert.
15. Oktober 1934
Die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Magdeburg berichtet über die Festnahme von insgesamt neun Personen im Monat September 1934. Ihnen wurden u.a. “kommunistische und marxistische Umtriebe” und die “Verbreitung von Greuelnachrichten” vorgeworfen.
3. November 1934
Laut einem Bericht der Staatspolizeistelle Magdeburg an das Staatspolizeiamt Berlin wurden im Monat Oktober 1934 im Regierungsbezirk Magdeburg insgesamt neun Personen festgenommen. Die Polizei warf ihnen u.a. die “Verbreitung illegaler Schriften” vor.
5. November 1934
Die Gestapo berichtet über die Festnahme von drei Personen wegen “geringer politischer Straftaten” im Oktober. Sie hatten kommunistische Flugschriften verbreitet.
11. Dezember 1934
Die Fleischerinnung veröffentlicht im Umkleideraum des Schlachthofs eine Liste jüdischer Ärzte, versehen mit der Aufforderung: „Volksgenossen, meidet diese Ärzte!“ Dr. Kurt Cohn, Präsident des Landesverbands Mitteldeutschland des „Centralvereins deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens“ schreibt daraufhin einen Beschwerdebrief an das städtische Unternehmen. Nach monatelangem Schriftverkehr reagiert die Magdeburger Geschäftsstelle der Nationalsozialistischen Handwerks-, Handels- und Gewerbe-Organisation und befürwortet die antisemitische Aktion: Nunmehr würde kein „Volksgenosse“ den Fehler machen, sich von „nicht-arischen“ Ärzten behandeln zu lassen.