25. Juli 1935
Der Volksgerichtshof verurteilt die kommunistische Widerstandskämpferin Eva Lippold zu neun Jahren Zuchthaus. Die Hälfte ihrer Strafe muss sie in Einzelhaft verbringen. Die spätere Lebensgefährtin von Hermann Danz war zunächst in Magdeburg und dann in Berlin für die Rote Hilfe aktiv.
27. Juli 1935
Im Umfeld der Schauprozesse wegen “Sittlichkeitsvergehen” geraten auch Homosexuelle ins Visier der Gestapo. Die Polizei verhaftet zehn Magdeburger wegen des Verstoßes gegen §175 StGB. Die Männer sind ehemalige Mitglieder des Bundes für Menschenrechte. Die Homosexuellen-Organisation hatte sich regelmäßig in der Gaststätte “Deutsches Haus” getroffen und war 1933 verboten worden.
1. August 1935
Das antisemitische Hetzblatt “Der Stürmer” veröffentlicht eine Sonderausgabe zum Schauprozess gegen Albert Hirschland. Die 16seitige Schrift erscheint deutschlandweit und intensiviert die seit Wochen andauernde Propaganda gegen den jüdischen Schulleiter.
2. August 1935
Die Staatspolizei für den Regierungsbezirk Magdeburg erlässt eine Verordnung, nach der ausgewanderte Jüdinnen und Juden, die in die Stadt zurückkehren wollen, abzuweisen sind.
5. August 1935
Die Staatspolizeistelle Magdeburg listet für den Juli 1935 33 Verhaftungen im Regierungsbezirk Magdeburg auf, davon vier wegen “Beleidigung von Regierungsmitgliedern”, zehn wegen “kommunistischer Umtriebe” und sechs wegen der religiösen Tätigkeit für die Zeugen Jehovas.
20. August 1935
Die Staatspolizei löst den Jüdischen Turn- und Sportverein Bar Kochba auf. Der Verein als Mitglied des internationalen Sportverbands Makkabi war seit 1923 unter der Leitung von Joachim Freiberg für die städtische jüdische Gemeinschaft tätig. Hintergrund der Zwangsauflösung ist eine Anordnung, alle jüdischen Organisationen zu verbieten, die nicht Mitglied des staatlich kontrollierten Reichsverbandes jüdischer Kulturbünde sind. Ausgenommen hiervon sind Schulen und Religionsgemeinschaften.
20. August 1935
In der Nacht zum 21. August 1935 verkleben Mitglieder des kommunistischen Widerstands in fast allen Stadtteilen Zettel mit Parolen gegen die NS-Regierung und mit einem Aufruf zur Einheitsfront. Dabei werden zwei Personen festgenommen und deren Wohnungen durchsucht.
Die Gestapo berichtet von 24 weiteren Festnahmen im Monat August in Magdeburg – überwiegend wegen “beleidigender Äußerungen gegen die Regierung”.
21. August 1935
Die Staatspolizei weist an, dass Jüdinnen und Juden keinerlei Auskünfte mehr zu geschäftlichen Aktivitäten von Nichtjüdinnen und – juden erhalten sollen.
21. August 1935
Die Pressehetze gegen Albert Hirschland motiviert zahlreiche Institutionen zu antisemitischen Aktionen. Die Straßenbahndirektion lässt in ihren Bahnen Schilder mit der Aufschrift “Juden sind hier unerwünscht” anbringen. Und die Magdeburger Schlosserinnung veröffentlicht eine Erklärung gegen Jüdinnen und Juden.
23. August 1935
Julius Streicher, Herausgeber des “Stürmers”, hält anlässlich des Schauprozesses gegen Albert Hirschland eine antisemitische Massenveranstaltung in der Stadthalle ab. In einer mehrstündigen Rede fordert er scharfe Maßnahmen gegen Jüdinnen und Juden. Begleitend zur Kundgebung verkünden im gesamten Stadtgebiet Transparente das “Stürmer”-Credo “Die Juden sind unser Unglück”. Vor Geschäften rufen Plakate zum Boykott jüdischer Geschäftsleute auf.
23. August 1935
Die antisemtische Hetzkampagne anlässlich des Prozesses gegen Albert Hirschland zeigt Wirkung: Vor jüdischen Geschäften kommt es zu gewalttätigen Zusammenrottungen. Kund:innen werden beschimpft und fotografiert.
24. August 1935
Die Kaufhäuser Barasch und Salberg werden zum Hauptziel des antisemitischen Mobs. Kund:innen werden bespuckt und geschlagen. Einige Tausend Demonstrant:innen blockieren die Eingänge zu den von Juden geführten Geschäften. Die Polizei erzwingt schließlich die vorübergehende Schließung der Kaufhäuser. Ihre Angestellten müssen durch die Hinterausgänge vor den gewalttätigen Massen fliehen.
2. September 1935
Die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Magdeburg verfügt die Anlegung einer Kartei sämtlicher Jüdinnen und Juden sowie jüdischer Organisationen. Vierteljährlich aktualisiert, dokumentiert die Liste in dreifacher Ausfertigung auch Abgänge durch Umzug, Tod oder Auswanderung.
3. September 1935
Die Gestapo nimmt das KPD-Mitglied Karl Wagner fest. Zuvor hatte die Stapostelle Berlin den dortigen Parteiapparat unterwandert und Verbindungen nach Magdeburg aufgedeckt. Die Aktion ist Teil einer Verhaftungswelle gegen 150 KPD-Funktionär:innen im Regierungsbezirk Magdeburg. Der Polizeieinsatz zwischen September 1935 und Mai 1936 zerschlägt für mehr als sieben Jahre den organisierten Widerstand der KPD in der Region.
6. September 1935
Die Gestapo Magdeburg verhaftet Gerhard Holzer, Leiter des Betriebsberichterstatter-Apparats der KPD in Magdeburg. Der gelernte Former initiierte den Aufbau von KPD-Betriebszellen im Untergrund und lieferte den Parteigremien Informationen aus der Magdeburger Rüstungsindustrie.
8. September 1935
Die Staatspolizeistelle verbietet allen Jüdinnen und Juden den Besuch des Stadtarchivs, der Bibliotheken und der Buchläden. Auch die städtischen Bäder sollen sie nicht betreten.
21. September 1935
Die Bezirksregierung Magdeburg verschickt an die Stadtverwaltung Fragebögen zur “Rassenzugehörigkeit” aller Schüler:innen. Die ausgefüllten Bögen sind bis zum 1. November zurückzuschicken. Hintergrund war das Bemühen, jüdische Schüler:innen vom Besuch staatlicher Schulen auszuschließen.
24. September 1935
Bei einer Boykottaktion gegen jüdische Käufer:innen werden in den Geschäften eigens von der NSDAP gefertigte Schilder mit der Aufschrift “Juden sind hier unerwünscht!” aufgehängt. Die von der Partei zur Verfügung gestellten Hetzschilder sollen dem Boykott Einheitlichkeit geben und den “Gemeinschaftssinn” stärken.
4. Oktober 1935
Alle Beamten im Gau Magdeburg-Anhalt werden angewiesen, keinesfalls in “nicht-arischen” Einrichtungen einzukaufen.
5. Oktober 1935
Die Stapostelle Magdeburg berichtet von der Verhaftung von insgesamt 19 Personen im September 1935 im Stadtgebiet. Hintergrund ist in den meisten Fällen “mündliche kommunistische Propaganda“”.
8. Oktober 1935
Wenige Wochen nach Verkündigung der “Nürnberger Gesetze” verschickt die Bezirksregierung an ihre Behörden einen “Fragebogen zum Nachweis der arischen Abstammung”. Der fünfseitige Bogen muss von allen Angestellten in zweifacher Ausfertigung ausgefüllt zurückgegeben werden. Bis zum 25. November müssen zudem die eigenen Geburtsurkunden sowie die der Eltern und Großeltern zur Überprüfung eingereicht werden.
Die Abstammungsüberprüfungen führen zur Empfehlung der Schulbehörde, vier städtische Lehrer:innen „jüdischer Abstammung“ aus dem Schuldienst zu entlassen.
12. Oktober 1935
Nach wochenlanger Beobachtung nimmt die Gestapo vier Personen wegen “Vorbereitung zum Hochverrat” fest. Die Beschuldigten hatten sich zusammengefunden, um sich kommunistische Druckschriften zu beschaffen und gemeinsam zu lesen. Drei Tage später werden wegen des gleichen Vorwurfs vier weitere Personen festgenommen.
16. Oktober 1935
Die Bezirksregierung weist alle Geldinstitute und die städtische Feuerwehr an, jüdische Angestellte zu suspendieren.
20. Oktober 1935
Studienrat Hans Rothenberg, Lehrer an der Lessing-Schule, wird als Jude mit sofortiger Wirkung suspendiert.
29. Oktober 1935
Die Gestapo nimmt den Diözesanleiter des Katholischen Jungmännerverbandes Paderborn-Ost, Max Meinner, wegen “staatsfeindlicher Äußerungen” fest. Meinner hatte kirchenöffentlich mehrfach die Verfolgung der katholischen Kirche kritisiert und die “Sittenverderbnis” der Hitlerjugend gebrandmarkt.
4. November 1935
Maria Gottschalk, Lehrerin am privaten Elisabeth-Rosenthal-Gymnasium wird als Jüdin aus dem Schuldienst entlassen.
11. November 1935
Mehrere Anzeigen bei der Polizei beklagen, dass es noch immer jüdische Händler:innen gebe, die „arische“ Firmen vertreten. Die Polizei wird gebeten dagegen vorzugehen. Ebenso werden Bauern angezeigt, die Geschäfte mit jüdischen Viehhändler:innen betreiben würden. Hintergrund ist eine Anordnung des Reichswirtschaftsministers vom 25. September, “nicht-arische” Händler:innen von sämtlichen Märkten auszuschließen.
28. November 1935
Ein Händler fordert mit einer Anzeige, Jüdinnen und Juden aus dem Viehhandel zu drängen und eine öffentliche Empörung gegen jüdische “Preistreiberei” zu schüren. Das unterstellte jüdische Handelsmonopol führe zu “Unzufriedenheit und Unruhen in der örtlichen Bevölkerung”.
2. Dezember 1935
Der Polizeipräsident verfügt, dass Jüdinnen und Juden nur dann Milch zu verkaufen sei, wenn diese ein “akzeptables Äußeres” und ein “unscheinbares Auftreten” hätten.
2. Dezember 1935
Die Gestapo untersagt grundsätzlich alle jüdischen Veranstaltungen an christlichen Feiertagen und Sonntagen. Grund hierfür seien eingeschränkte Überwachungsmöglichkeiten an diesen Tagen.