10. Juni 1933
Der Magdeburger Polizeichef, SA Gruppenführer Konrad Schragmüller, lässt den gewaltsam abgesetzten Oberbürgermeister Ernst Reuter (SPD) verhaften. Unter Bezugnahme auf das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ wird Reuter wenige Wochen später, am 29. Juli, endgültig aus dem Stadtdienst entlassen.
17. Juni 1933
Der nationalsozialistische “Mitteldeutsche Zeitungsblock” bemächtigt sich der Verlagsstätten der sozialdemokratischen Volksstimme. Fortan wird hier das “Neue Magdeburger Tageblatt” produziert, das ab 1935 unter dem Titel “Der Mitteldeutsche” erscheint.
24. Juni 1933
Nach dem Verbot der SPD am 22. Juni werden mehr als 230 sozialdemokratische Funktionäre aus Magdeburg und Umgebung in “Schutzhaft” genommen. Wie auch hunderte Kommunisten misshandeln SA und Staatspolizei die inhaftierten Sozialdemokraten in zahlreichen “wilden Konzentrationslagern” – in Polizeikasernen, im Stadion “Neue Welt” oder dem nahegelegenen Schloss Dornburg und im Schloss Lichtenburg bei Prettin.
28. Juni 1933
Nach dem Verbot der “Internationalen Bibelforschervereinigung” (“Zeugen Jehovas”) werden deren Bundesgebäude von der Polizei geschlossen und ihre Schriften am Stadtrand öffentlich verbrannt. Bis Ende 1933 werden die letzten Mitarbeiter der Vereinigung von der Gestapo zur Aufgabe der Gebäude gezwungen. Im April kam es zur endgültigen Auflösung der religiösen Körperschaft. Viele ihrer Mitglieder werden verhaftet und in Konzentrationslagern interniert.
5. Juli 1933
Aus dem überfüllten Polizeigefängnis werden die ersten Häftlinge in das neu errichtete Schutzhaftlager in der Kaserne der Schutzpolizei am Schroteplatz überführt. In diesem provisorischen KZ sind zeitweise bis zu 300 Schutzhäftlinge interniert.
6. August 1933
Zum ersten Mal werden sog. Schutzhäftlinge – politische Gegner des NS-Regimes – aus dem Polizeigefängnis in Sudenburg in das KZ Lichtenburg überstellt.
11. August 1933
Ernst Reuter, von den Nationalsozialisten abgesetzter Oberbürgermeister Magdeburgs, wird vom Polizeigefängnis in das KZ Lichtenburg in Prettin überführt. Dort ist er als prominenter Häftling besonders schweren Misshandlungen ausgesetzt.
5. September 1933
Aus den Schutzhaftlagern der Polizei werden Häftlinge in das neu errichtete KZ Brandenburg überführt.
7. November 1933
Wegen anhaltender Überfüllung werden weitere Häftlinge aus den Magdeburger Schutzhaftlagern in das KZ-System – diesmal in das KZ Sonnenburg bei Küstrin – überstellt.
15. November 1933
Nach der polizeilichen Aufdeckung der Anlaufadressen kommunistischer Funktionäre verhaftet die Gestapo Dutzende KPD-Mitglieder, unter ihnen Karl Raddatz und Herrmann Danz. Beide werden 1934 wegen Hochverrats zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
29. Dezember 1933
Vor dem Zwangsverkauf durch die Stadt findet im Haus der Freimaurerloge “Ferdinand zur Glückseligkeit” eine letzte festliche Zusammenkunft der Logenbrüder statt. Nach monatelangen Schikanen der Baupolizei wird das Logengebäude entschädigungslos enteignet, ebenso wie Inneneinrichtung und Bibliothek. Das Haus wird wenig später von der Stadtbibliothek Magdeburg in Besitz genommen.
1. Januar 1934
Frank Osterroth, Redakteur der Reichsbanner-Zeitung und führendes Mitglied sozialdemokratischer Widerstandsgruppen in Magdeburg, geht mit seiner Familie ins Exil. Nur so kann er sich einer drohenden Verhaftung durch die Gestapo zu entziehen. Fortan agiert er von der Tschechoslowakei aus, bis er sich 1939 nach Schweden retten kann.
17. Januar 1934
Ernst Lehmann, Werner Bruschke und weitere frühere Mitarbeiter der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) werden verhaftet. Hintergrund ist eine Verhaftungswelle gegen die illegale SAJ-Leitung in Berlin. Da man den Magdeburgern jedoch keine illegale Tätigkeit nachweisen kann, werden sie einen Monat später wieder entlassen. Fortan werden sie jedoch von der Gestapo streng überwacht.
26. Januar 1934
Das Preußische Bildungsministerium fordert die Bezirksregierung in Magdeburg auf, binnen zwei Wochen über die Anzahl der Schüler jüdischer Herkunft in ihrem Zuständigkeitsbereich zu informieren. Hintergrund waren die Vorbereitungen, Kinder und Jugendliche aus jüdischen Familien auf rein jüdische Einrichtungen „umzustellen“, also zum Ausschluss aus dem öffentlichen Bildungssystem.
28. Februar 1934
Die Gestapo nimmt den jüdischen Amtsgerichtsarzt Dr. Sachs in “Schutzhaft”. Die nationalsozialistische Zeitung “Der Mitteldeutsche” hatte am selben Tag berichtet. dass Sachs das NS-Winterhilfswerk als “furchtbaren Nepp” bezeichnet habe. Gegen Dr. Sachs wird ein Strafverfahren eingeleitet, und er wird in den Ruhestand versetzt.
6. März 1934
Die Gestapo berichtet dass im Zusammenhang mit einem Verfahren gegen Mitglieder des kommunistischen Widerstands in Dessau im Februar 1934 auf Ersuchen der dortigen Staatspolizeistelle der ehemalige KPD-Funktionär Albert Wildt in Magdeburg festgenommen und nach Dessau überführt wurde. Wildt, seit 1918 Mitglied der KPD, war bereits im Mai 1933 bis November 1933 in “Schutzhaft” genommen worden.
6. März 1934
Die Staatspolizeistelle Magdeburg meldet, dass im Februar 1934 im Regierungsbezirk Magdeburg insgesamt 23 Personen in “Schutzhaft” – u.a. wegen “Beleidigung von Regierungsmitgliedern”, “kommunistischer Umtriebe” und “Vorbereitung zum Hochverrat” – genommen wurden.
11. März 1934
Die Beratungsstelle Magdeburg des Provinzial-Verbands für jüdische Wohlfahrtspflege berichtet, dass 40 junge Juden aus der Region an Vorbereitungskursen für eine Auswanderung teilnähmen. Landwirtschaftliche und handwerkliche Ausbildungen sollten einen guten Neustart in Palästina ermöglichen.
1. April 1934
Die Staatspolizeistelle Magdeburg wird eine eigenständige Dienststelle und bezieht das am 11. März 1933 von der SA beschlagnahmte Bundeshaus des Reichsbanners „Schwarz-Rot-Gold“. Das Haus in direkter Nachbarschaft des Klosters Unser Lieben Frauen ist fortan als „Braunes Haus“ bekannt.
10. April 1934
Nach zwei Prozesstagen verurteilt das Kammergericht 19 Mitglieder des kommunistischen Widerstands aus Staßfurt-Leopoldshall wegen “geheimen Weiterbestehens der KPD und der Verbreitung illegaler Schriften” zu Zuchthausstrafen zwischen 15 und 30 Monaten.
12. April 1934
Das Kammergericht verurteilt 13 Kommunisten aus Magdeburg wegen Verbreitung der illegalisierten KPD-Zeitschriften “Tribüne” und “Fanfare” zu Gefängnisstrafen zwischen 21 und 30 Monaten.
14. April 1934
Das Kammergericht verurteilt drei Mitglieder des kommunistischen Widerstands aus Groß-Ottersleben zu Haftstrafen von 30 Monaten. Anklage war wegen “Vorbereitung zum Hochverrat” sowie Waffen- und Munitionsbesitzes erhoben worden.
16. April 1934
Wegen Untergrundaktivitäten und Fortführung der KPD verurteilt das Kammergericht 15 Mitglieder des kommunistischen Widerstands zu Zuchthausstrafen zwischen 21 und 36 Monaten.
28. April 1934
Die Staatspolizeistelle Magdeburg berichtet, dass Veranstaltung jüdischer Verbände in der Stadt nur genehmigt werden, wenn sie in deutscher Sprache erfolgen. Veranstaltungen in hebräischer oder jiddischer Sprache würden die Überwachung erschweren.
8. Mai 1934
Die Gestapo berichtet über Festnahmen im Zusammenhang mit Aktivitäten des kommunistischen Widerstands. So wurden im April ein vier Flugblattverteiler festgenommen, darunter einem gebürtigen Österreicher. Verhaftet wurde außerdem das Ehepaar Vehse, wegen des Verdachts “besonders intensiver kommunistischer Tätigkeit”. Es wurde wenig später wegen fehlender Beweise wieder freigelassen.
5. Juni 1934
Die Staatspolizeistelle Magdeburg berichtet, dass im Mai in der Stadt mehrere Verteilaktionen kommunistischer Schriften stattgefunden haben. Unter anderem wurden Untergrundausgaben der “Jungen Garde”, Zentralorgan des Kommunistischen Jugendverbandes (KJVD), und des “Roten Pfeffers”, Satirezeitschrift der KPD, weitergegeben. Wegen der Verbreitung wurden insgesamt 23 Angehörige des kommunistischen Widerstands verhaftet. Gegen elf von ihnen wurde Haftbefehl wegen “Vorbereitung zum Hochverrat” erlassen.
24. Juni 1934
Die Gestapo verhaftet die Eheleute Marie und Will Kühne. Die beiden KPD-Mitglieder hatten in der Alten Neustadt eine Widerstandsgruppe geleitet. Sie hatten aktive politische Aufklärungsarbeit gegen den Nationalsozialismus geleistet, insbesondere unter den Frauen Magdeburgs.
9. Juli 1934
Die Stadt Magdeburg beginnt mit der Erstellung einer detaillierten Liste über sämtliche jüdische Einrichtungen und Organisationen. Dies markiert den Beginn der Vorbereitungen für die gesetzliche verankerte Ausgrenzung von Jüdinnen und Juden in Deutschland.
23. Juli 1934
Die Gestapo geht gegen Mitglieder des kommunistischen Widerstands wegen des versuchten Neuaufbaus des KPD-Bezirks Magdeburg-Anhalt vor. Fünf Personen werden in “Schutzhaft” genommen, unter ihnen die Magdeburger Kommunisten Emil Wisnewski und Paul Grensing. Sie hatten in der Region eine Widerstandsgruppe gebildet, die Zersetzungsaktionen gegen die SA durchführte. Bei Gensing wurden 67 im Ofen versteckte Flugschriften beschlagnahmt. Am 1. Juli 1935 werden Wisnewski und Grensing vom Berliner Kammergericht aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
2. August 1934
Das Reichserziehungsministerium verfügt die Entfernung des Barlach-Ehrenmals aus dem Dom sowie dessen Überweisung an die Nationalgalerie Berlin.