4. August 1936
Das Landgericht verurteilt den jüdischen Bankier Philipp Schmulewitz wegen Devisenhandels zu einem Jahr Zuchthaus und 2.000 Reichsmark Geldstrafe.Der medial reißerisch begleitete Schauprozess beruht auf nicht bewiesenen Anklagepunkten und zielt auf die Demütigung und Entrechtung des Angeklagten. Dessen herzkranke Ehefrau Selma flieht vor der Hetzkampagne zu ihren Kindern nach England, die hier mit Unterstützung des Bankiers Zuflucht gefunden hatten. Die Lebenssituation der Familie wird zunehmend prekärer. Aller Zukunftsperspektiven beraubt, nimmt sich der 17jährige Sohn Herbert am 28. Juni 1937 das Leben.
Herbst 1936
Die Staatspolizei Magdeburg zerschlägt eine trotzkistische Widerstandsgruppe, die vor allem in der Altstadt aktiv gewesen ist. Zwei ihrer Mitglieder, Max Laufer und Oskar Krämer, können aus der Haft entkommen.
7. Oktober 1936
Die Staatspolizei in Berlin nimmt Friedrich Weißler, bis zu seiner Entlassung am 21. Juli 1933 Landgerichtsdirektor in Magdeburg, in U-Haft.Unter seiner Mitwirkung war von der Bekennenden Kirche eine Denkschrift gegen die Zerstörung der kirchlichen Ordnung durch den NS-Staat an den Reichskanzler ausgearbeitet worden. Weißler wird vorgeworfen, die Denkschrift an die internationale Presse weitergegeben zu haben. Ende Januar 1937 wird er aus der Haft entlassen und in das KZ Sachsenhausen überstellt. Dort wird er am 19. Februar 1937 ermordet.
24. November 1936
Auf Betreiben des Direktors der Landesheilanstalt Haldensleben wird Else R. auf Kosten der Stadt Magdeburg zwangssterilisiert.Else R. litt als junge Frau unter Depressionen und ließ sich auf eigenen Wunsch in die Nervenklinik Sudenburg einweisen. Von dort wurde sie nach Haldensleben verlegt. 1940 erfolgt ihre Einweisung in die Landesheilanstalt Uchtspringe.
12. Dezember 1936
Im Rahmen einer reichsweiten Protestaktion verteilen Mitglieder der Zeugen Jehovas auch in Magdeburg etwa 4.000 Flugblätter und fordern die Wiederzulassung der Glaubensgemeinschaft.Die Aktion wird von Ludwig Göbel vorbereitet, der die religiöse Tätigkeit der Zeugen Jehovas illegal fortführte.
14. Dezember 1936
Die Gestapo verfügt, dass fortan alle ausgewanderten Juden, die nach Magdeburg zurückkehren, inhaftiert werden sollen.
30. Dezember 1936
Die Geheime Staatspolizei löst den Ring “Bund Jüdischer Jugend” endgültig auf.Begründet wird die Auflösung damit, dass die Mitglieder des Rings Uniformen tragen und “militärtaugliche Übungen” durchführen würden. Beides sei jedoch verboten.
1. März 1937
Der Direktor des Staatsarchivs weist Anfang des Jahres an, bis zum 1. März ein vollständiges Bestandsverzeichnis des Materials zu städtischen jüdischen Geschichte anzufertigen.Die dabei erfassten Hinweise auf Namensänderungen wurden als Versuche der betroffenen Familien ausgelegt, aus „kriminellen“ Gründen die Änderungen vorgenommen zu haben.
15. März 1937
Die preußische Regierung verbietet allen jüdischen Geschäften, Fahnen mit Hakenkreuz oder anderen nationalen Symbolen herzustellen oder zu verkaufen.Damit sollte öffentlich sichtbar die vermeintliche „Staatsfeindlichkeit“ der Juden verdeutlicht werden. Groteskerweise wurde Spielzeug von diesem Verbot ausgenommen.
30. März 1937
Die Gestapo fordert alle Dienststellen in Preußen auf, die Namen aller Kur- und Badeorte aufzulisten, die von Juden besucht werden.Ziel war es, jüdische Familien auf den Besuch rein jüdischer Anstalten zu beschränken.
10. April 1937
Wie überall im Reich wird auch der Magdeburger Ableger der B’nai B’rith, die Mendelssohn-Loge, zerschlagen. Eigentum und Vermögen werden konfisziert, sämtliche Akten beschlagnahmt. Die Loge hatte ihren Sitz am Breiten Weg und wurde bis zur ihrer Auflösung von Georg Schäfer und dem Rabbiner Dr. Georg Wilde geleitet.
31. Mai 1937
Die Stadtverwaltung fordert zum wiederholten Mal das preußische Kultusministerium auf, jüdische Schüler gesondert zu beschulen.
31. Juli 1937
Gerhard Holzer, Leiter des Betriebsberichterstatter-Apparats der Magdeburger KPD, wird hingerichtet.Er war am 11. September 1936 vom Volksgerichtshof wegen Landesverrats zum Tode verurteilt worden.
5. August 1937
Julius Philippson, Reichschulungsleiter des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes wird von der Gestapo in Berlin verhaftet.Wenige Monate später folgen der Leiter des Magdeburger Ortsvereins, Karl Melzer, und weitere 19 Mitglieder in Magdeburg.
13. August 1937
Oskar Zuckschwerdt, Pfarrer der evangelischen Ulrichkirche und Mitglied der Bekennenden Kirche, wird in Untersuchungshaft genommen.Ihm werden Verstöße gegen das Sammlungsgesetz und Kanzelmissbrauch vorgeworfen. Bereits im Dezember 1934 hatte ihn der Gemeindekirchenrat aufgefordert, sein Amt niederzulegen, um eine „Schädigung unserer evangelischen Ulrichgemeinde und der Volksgemeinschaft“ zu vermeiden. Nach mehreren Wochen U-Haft wird Zuckschwerdt wieder auf freien Fuß gesetzt, nachdem das Naumburger Oberlandesgericht am 28. November 1937 seiner Haftbeschwerde stattgegeben hatte.
26. August 1937
Das preußische Innenministerium ordnet an, keine weiteren Zulassung für die Einrichtung jüdischer Gast- und Schenkwirtschaften zu erteilen.Nach dem Verbot nicht-jüdische Gaststätten zu besuchen, wurde damiten die Ausgrenzung der Juden in der Öffentlichkeit weiter verstärkt.
September 1937
Die Stadtverwaltung beschränkt die Behandlung von Juden in Krankenhäusern auf lebensbedrohliche Umstände.Begründet wurde die Maßnahme mit der angeblichen gesundheitlichen Gefährdung „arischer“ Patienten in Gegenwart von Juden.
20. September 1937
Erstmals wird gegenüber Mitgliedern der Zeugen Jehovas “Schutzhaft” in Verbindung mit der Einweisung in ein Konzentrationslager verhängt.Eine Angehörige der Glaubensgemeinschaft wird im Polizeipräsidium inhaftiert und am 16. Oktober in das KZ Moringen überstellt. Bis 1940 wurden 14 weitere Mitglieder der Bibelforschervereinigung in den Konzentrationslagern Moringen, Sachsenhausen, Lichtenburg, Buchenwald und Ravensbrück interniert.
21. September 1937
Das Oberlandesgericht Magdeburg verurteilt den jüdischen Bankier Philipp Schmulewitz in einem zweiten Schauprozess zu sieben Jahren Zuchthaus und 315.000 RM Geldstrafe.Außerdem werden ihm zehn Jahre die Grundrechte aberkannt. Hintergrund ist der unbewiesene Vorwurf illegalen Devisenhandels.
21. September 1937
Die Schulbeiräte der Magdeburger Gemeindeschulen stimmen der Einrichtung einer separaten „Judenschule“ zu.Seit Juli 1937 hat es entsprechende Pläne der Stadtverwaltung gegeben. Die Initiative hierzu war vom örtlichen NSDAP-Leiter ausgegangen.
22. Oktober 1937
Mit Drucksache 327 der Stadtverwaltung ist die Einrichtung von zwei „reinjüdischen“ Klassen in einem Nebengebäude der 2. Gemeindeschule vorgesehen.Die Erziehung sollte dort vor allem mit dem Ziel der Vorbereitung auf eine Auswanderung erfolgen.
24. Oktober 1937
Die Gestapo verschärft ihr Vorgehen gegen die Zeugen Jehovas. Zwischen 24. Oktober 1937 und 24. März 1938 werden allein in Magdeburg 79 Mitglieder der Zeugen Jehovas verhaftet.Die meisten von ihnen werden zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt.
30. Oktober 1937
Die Gestapo verhaftet Ludwig Göbel, Mitglieder der Zeugen Jehovas, wegen Fortführung der religiösen Tätigkeit.Als Leiter der Magdeburger Gemeinde hatte er ihre Mitglieder mit Schriften der Glaubensgemeinschaft versorgt und war an der Organisation von Protesten beteiligt.
1. November 1937
Ein Erlass des preußischen Kultusministeriums untersagt Kindern von Beamten den Besuch (konfessioneller) Privatschulen.Dies betrifft u.a. das Lyzeum in der Prälatenstraße, die St.-Norbert-Grundschule und vier weite katholische Schulen in Magdeburg. Im Schnitt verlieren die Schulen durch den Erlass etwa ein Drittel ihrer Schülerschaft.
17. Dezember 1937
Das Sondergericht in Halle verurteilt Ludwig Göbel, Gruppendiener der Zeugen Jehovas in Magdeburg, zu 27 Monaten Haft.
11. Februar 1938
Heinrich Hunger wird aufgrund seiner religiösen Tätigkeit bei den Zeugen Jehovas verhaftet.Nach Verbüßung der Haftstraße in Magdeburg wurde er in das KZ Dachau verschleppt. Dort kam er am 17. Oktober 1942 ums Leben.
28. März 1938
Im Frühjahr 1938 verlieren die jüdischen Gemeinden in Deutschland ihren Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit zugleich ihren offiziellen Status als Religionsgemeinschaft.Die Synagogen-Gemeinde Magdeburg kann ihre Tätigkeit fortan nur noch als Jüdische Kultusvereinigung (Synagogen-Gemeinde e.V.) weiterführen.
21.-27. April 1938
Im Rahmen der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ werden bei einer ersten Verhaftungswelle 70 Männer aus der Region im Polizeigefängnis inhaftiert.Davon sind überwiegend Obdachlose und Nicht-Sesshafte betroffen. 27 von ihnen werden am 21. Mai nach Buchenwald überstellt.
11. Mai 1938
Nach einer mehrmonatigen Haftstraße wird Anna Jordan wegen ihrer Mitgliedschaft bei den Zeugen Jehovas in das KZ Lichtenburg überwiesen.Anfang 1939 deportierte man sie in das KZ Ravensbrück, wo sie im August desselben Jahres im Arrest verhungerte.
1. Juni 1938
In der Kleinen Schulstraße 24 beginnt der Unterricht in der Magdeburger „Judenschule“. Fortan werden hier unter beengten Verhältnissen 85 Schüler unterrichtet.Auf Weisung aus Berlin dürfen jüdische Kinder und Jugendliche ab 1938 bis auf wenige Ausnahmen nur noch in gesonderten „Judenschulen“ unterrichtet werden. Damit sollen jüdische Kinder weiter isoliert und ausgegrenzt werden. Bereits im Mai 1937 hatte die Stadtverwaltung Magdeburg die Beschulung jüdischer Kinder in gesonderten Schulen gefordert.