2. April 1941
Die unter Depressionen leidende und zwangssterilisierte Else R. wird von der Landesheilanstalt in die „Euthanasie“-Anstalt Bernburg verlegt und ermordet.Ihrer Mutter schickt man eine gefälschte Todesurkunde, die ihren angeblichen Tod aufgrund einer Hirnschwellung am 19. April vermerkt. Else R.‘s Urne – ohne ihre Asche – wird am 12. Mai 1941 auf dem Westfriedhof beigesetzt.
8. April 1941
Einen Tag vor Ende einer zweijährigen Zuchthausstrafe wird Ernst-Günther P. in polizeiliche “Vorbeugehaft” nach Berlin überführt.Er war im Juli 1939 wegen seiner Homosexualität in Magdeburg zu einer Haftstrafe verurteilt worden, die er in den Straflagern Griebo und Esterwegen verbüßte. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Wahrscheinlich ist er in KZ-Haft ums Leben gekommen.
20. Mai 1941
Der Betriebsführer der “Sack- und Planfabrik Curt Röhrich” denunziert die zwangspflichtete Sintezza Erna Lauenburger („Unku“) bei der Kriminalpolizei.Ihr Auftreten sei von „Arbeitsunlust“ und „freches Benehmen“ geprägt. Die Polizei verwarnt Erna Lauenburger und weist sie darauf hin, dass sie ohne Änderung ihres Verhaltens mit strengen polizeilichen Maßnahmen zu rechnen habe.
2. Juli 1941
Benno Meyer, wegen seiner Homosexualität verhaftet, wird in der „Euthanasie“-Anstalt Sonnenstein bei Pirna ermordet.Der Architekt war 62jährig in das KZ Sachsenhausen eingewiesen worden. Dort erkrankt, wurde er im Juni 1941 nach Sonnenstein deportiert und dort mit Kohlenmonoxid vergast. Offiziell wurde sein Tod als Altersschwäche deklariert.
14. Juli 1941
Robert Ritter, Leiter der “rassenhygienischen Forschungsstelle” des Reichsgesundheitsamts stuft die Sintezza Erna Lauenburger („Unku“) als „Zigeunermischling“ ein.Im Rahmen der nationalsozialistischen Verfolgungspraxis gegen Sint*ezza und Rom*nja bedeutet dies eine spätere Einweisung in ein Konzentrationslager.
16. Juni 1941
Die Regierung der Provinz Sachsen verbietet den Juden per Gesetz den Besuch “deutscher Kulturveranstaltungen”.Hierzu hatte am 12. Juni die Gauleitung der NSDAP aufgefordert. Bis dahin lag es im Ermessen der Veranstalter, Juden den Zutritt zu gestatten oder nicht.
16. Juli 1941
Else Massor, im Untergrund für die Zeugen Jehovas tätig, wird nach ständigen Misshandlungen als haftunfähig entlassen.Sie war zusammen mit ihrem Ehemann Frank Massor am 28. Februar 1940 wegen der Verbreitung religiöser Schriften verhaftet worden.
8. August 1941
Die Synagogen-Gemeinde wird endgültig aus dem Vereinsregister gelöscht.Bereits am 5. Juni 1940 musste sich die Gemeinde in Jüdische Kultusvereinigung umbenennen und wurde am 27. Mai 1941 offiziell der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland angeschlossen.
9. September 1941
Das Reichspropagandaamt Magdeburg-Anhalt lobt die Provinzialregierung in Magdeburg für ihren Erfolg, Juden von allen öffentlichen Plätzen der Stadt fernzuhalten.
15. September 1941
Gemäß einer reichsweiten Verordnung müssen alle Juden ab dem 7. Lebensjahr einen gelben Davidstern sichtbar an der Kleidung tragen.Die Maßnahme besiegelt das Ende jeder Anonymität. Antisemitische Schmähungen und Misshandlungen in der Öffentlichkeit nehmen deutlich zu. Aus Angst vor Konfrontationen meiden viele Juden die Hauptverkehrsstraßen der Stadt.
23. September 1941
Der Provinzialregierung werden verschärfende Richtlinien für Bahnreisen von Juden mitgeteilt. Fortan dürfen sie nur noch in Zügen dritter Klasse reisen.Einen Sitzplatz dürfen sie nur einnehmen, wenn alle Nicht-Juden bereits einen haben. Zur Rushhour ist Juden die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel grundsätzlich verboten.
24. September 1941
Den jüdischen Krankenpflegeschülerinnen wird mitgeteilt, dass sie fortan nicht mehr versichert seien.
Oktober 1941
Eine Polizeiverordnung dehnt das Verbot für Juden, “deutsche” Kulturveranstaltungen zu besuchen, auf den Besuch von Cafés und Gaststätten aus.
1. November 1941
Bei den Polte-Werken wird ein provisorisches Lager für polnische Zwangsarbeiter errichtet.
4. November 1941
Die Provinzialregierung erhält eine Mitteilung des Reichsfinanzministers über das genaue Vorgehen bei den bevorstehenden Deportationen.Zuerst sollen alle Juden deportiert werden, die nicht in kriegswichtigen Unternehmen arbeiten. Besitz und Eigentum der Deportierten sollen zugunsten des Reichs beschlagnahmt werden. Bereits in den Monaten zuvor wurden hierfür sämtliche Besitztümer von Juden registriert. Geräumte Wohnungen und Zimmer sollen an die Stadtverwaltung zurückgegeben werden.
20./21. November 1941
Alle Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft müssen den Besitz von Schreibmaschinen, Fahrrädern, Fotoapparaten und anderen Gütern melden.Die Registrierung des Besitzes ist Teil der vorbereitenden Maßnahmen zur Konfiszierung der Güter und der Deportation ihrer Besitzer.
8. Dezember 1941
Die Stadtverwaltung bestätigt die “Arisierung” sämtlicher Geschäfte und Firmen, die einst Juden gehört haben.
12. Dezember 1941
Die Gestapo fordert die Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde auf, ihren Mitgliedern den Besuch von städtischen Kinos zu untersagen.Nur so könnten “Ausschreitungen der deutschblütigen Bevölkerung gegen Juden” verhindert werden.
14. Januar 1942
In Vorbereitung auf die Deportationen werden die Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft aufgefordert, alle Woll- und Pelzsachen, Skier sowie Bergschuhe bei der Verwaltung abzuliefern.
16. Februar 1942
Die Unternehmen Fahlberg List, Otto Gruson, R. Wolf, Polte, Rex-Werke, Schäffer & Budenberg, C. Louis Strube, Emil Wieger und Estler gründen die Interessengemeinschaft “Sammellager Magdeburg-Süd” zur Unterbringung von mindestens 750 Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangenen für die Rüstungsindustrie. Das Lager wird zwischen der Ilsestraße und der Verlängerung des Kirschwegs errichtet.
25. Februar 1942
Die Firma C Louis Strube berichtet vom Bau eines Lagers für 350 überwiegend französische Zwangsarbeiter nördlich der Stadthalle zum Einsatz in ihrem Unternehmen.
24. März 1942
Die Stadtverwaltung untersagt allen Juden die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Nur für wenige Berufsgruppen gibt es Ausnahmegenehmigungen.
6. April 1942
Die Polizei verhaftet die Sintezza Klara Weiß wegen des Verstoßes gegen den „Festsetzungserlass“.Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, hatten sie in den benachbarten Dörfern Mottenkugel verkauft. Nach der Androhung einer Inhaftierung im KZ im Wiederholungsfall, wurde sie nach drei Tagen wieder aus dem Polizeigefängnis entlassen.
14. April 1942
446 Menschen jüdischer Herkunft aus dem Bezirk Magdeburg-Anhalt müssen sich am 13. April 1942 in der Saalwirtschaft “Freundschaft” (Prälatenstraße) einfinden, darunter 153 Magdeburgerinnen und Magdeburger. Sie werden tags darauf vom Hauptbahnhof aus in das Warschauer Ghetto deportiert. Der Zug mit 835 Menschen aus den Bereichen der Gestapo-Leitstellen Magdeburg, Potsdam, Berlin trifft dort am 16. April ein.
18. April 1942
Die Sintezza Berta F. wird von der Polizei in Colbitz aufgegriffen und in die Haftanstalt Magdeburg-Neustadt überstellt.Um den Lebensunterhalt ihrer Familie sicherstellen zu können, hatte sie sich über das Reiseverbot für Sinti und Roma hinweggesetzt. Als reisende Vertreterin hatte sie Spitzendeckchen verkauft und mit den Einnahmen Lebensmittel erworben.
23. April 1942
Das Oberfinanzpräsidium Magdeburg bestätigt den Eingang aller Begleitakten zu den am 14. April deportierten Juden.Die Akten dienen der Vorbereitung für die Maßnahmen zur Konfiszierung ihres verbliebenen Vermögens.
9. Mai 1942
Das Sondergericht Magdeburg verurteilt einen Handelsvertreter wegen illegaler Schlachtungen von Schafen und Schweinen zum Tode.Die erste Kammer des Gerichts folgt damit der Staatsanwalt und begründet das Urteil gegen den 56jährigen: „Für einen Volksschädling, der noch im 3. Kriegsjahr Fleisch durch Schwarzschlachtungen der Allgemeinheit entzog, ist kein Platz mehr in der Volksgemeinschaft.
11. Mai 1942
Die Staatspolizei erhöht ihren Druck gegenüber der jüdischen Bevölkerung und droht allen Besuchern nicht-jüdischer Kulturveranstaltungen KZ-Haft an.Die Regierung der Provinz Sachsen hatte zuvor alle Maßnahmen in diesen Fällen offiziell eingestellt.
14. Mai 1942
Alle Juden mit doppelter Staatsangehörigkeit wird die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen und ihr Besitz konfisziert.
18. Mai 1942
Harry König wird wegen der Weigerung, seine Lebenspartnerschaft mit der „Geltungsjüdin“ Ruth Choinowski aufzugeben, in „Schutzhaft“ genommen.Er wird am 2. Juli nach Buchenwald verschleppt. Bemühungen im seine Freilassungen scheitern, da er weiterhin zu seiner Familie steht und die Trennung verweigert.