10. Januar 1944
Am 10. Januar 1944 werden 16 Magdeburger Jüdinnen und Juden mit einem letzten Großtransport (“XX/4”) nach Theresienstadt deportiert. Nacht sieben größeren Deportationtransporten seit 1942 ist damit die große Mehrheit der Jüdinnen und Juden aus Magdeburg deportiert. Die Stadt gilt als “judenfrei”. Etwa 185 Jüdinnen und Juden leben noch in “Mischehen”, als Kinder von “Mischehen” oder als “Mischlinge” weiterhin in der Stadt. Die meisten von ihnen verlieren in den letzten Kriegsjahren ihr Leben. Im April 1945 leben weniger als 20 Jüdinnen und Juden in Magdeburg.
22. Januar 1944
Das Sondergericht beim Landgericht Magdeburg verurteilt die 23jährige Angestellte Hildegard Trusch zum Tode.Die Angeklagte soll in der Nacht zuvor während eines Bombenangriffs vom Hof eines brennenden Hauses u.a. eine Hose entwendet haben. Beim Versuch sie zu verkaufen, geriet Trusch an einen Polizeispitzel und wurde verhaftet. Die Verurteilte wird in das Zuchthaus Halle/Saale überführt.
4. Februar 1944
Im Zuchthaus Halle/Saale wird die wegen „Plünderung“ verurteilte Hildegard Trusch mit dem Fallbeil hingerichtet (siehe 22.01.1944).Während der Haft wurde bei ihr eine Schwangerschaft entdeckt, woraufhin die Vollstreckung des Todesurteils ins Stocken geriet, da Schwangere nach den geltenden Vorschriften nicht hingerichtet werden dürfen. Auf Betrieben der Magdeburger Staatsanwaltschaft wird ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen, mit der Begründung, das Kind Hildegard Truschs werde kein „wertvoller Bestandteil der Volksgemeinschaft“. Nach der erzwungenen Fehlgeburt stand der Hinrichtung formal nichts mehr im Wege.
9. Februar 1944
Frieda Jess, Mitarbeiterin der Untergrunddruckerei der Zeugen Jehovas, wird ein weiteres Mal verhaftet.Sie wird wegen illegaler Fortführung religiöser Tätigkeiten am 17. Oktober 1944 vom Volksgerichtshof zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Das Kriegsende erlebt sie in der Haftanstalt Waldheim. Für ihren Glauben saß sie in der DDR von 1950 bis 1956 erneut im Zuchthaus.
12. Februar 1944
Der ehemalige Mitarbeiter des Bibelhauses der Zeugen Jehovas, Johannes Schindler, wird wegen Weiterführung der religiösen Tätigkeit in Dresden verhaftet und nach Magdeburg überstellt.Hier wird er von der Gestapo vom Bahnhof zum „Braunen Haus“ getrieben, vorbei an den verächtlichen Blicken der Passanten. Nach dem Verhör kommt Schindler in das Gestapo-Auffanglager Rothensee und schließlich ins städtische Gefängnis.
9. März 1944
Der ehemalige Mitarbeiter der Zeugen Jehovas und Gruppendiener der Gemeinschaft im Untergrund, Franz Massors, wird im Zuchthaus Halle/Saale hingerichtet.Er wurde bereits im Februar 1940 festgenommen und aus 1943 aus der Haft zum Kriegsdienst einberufen. Das Reichskriegsgericht verurteilte Franz Massors wegen Wehrdienstverweigerung zum Tode.
14. Juni 1944
Unweit des Stadtzentrums wird in Magdeburg-Wilhelmstadt, dem heutigen Stadtfeld, ein KZ-Außenlager für Frauen errichtet, dessen erste Häftlinge hier am 14. Juni 1944 eintreffen.Das Außenkommando ist bis zum 31. August 1944 dem KZ Ravensbrück und dann dem KZ Buchenwald unterstellt. Insgesamt werden hier etwa 3.100 Frauen, überwiegend aus Osteuropa, inhaftiert und müssen für den Polte-Konzern, einem der größten Munitionsproduzenten Europas, Zwangsarbeit leisten. Von den Inhaftierten überleben nur etwa 600 das Kriegsende.
17. Juni 1944
Auf Initiative der Braunkohle- und Benzin AG (Brabag) wird in Magdeburg-Rothensee ein Außenlager des KZ Buchenwald für männliche Häftlinge („Magda“) errichtet.Bis zur Auflösung des Lagers am 9. Februar 1945 sind hier ca. 2.200 fast ausschließlich ungarische Juden inhaftiert, die v.a. beim Bau von Luftschutzanlagen eingesetzt werden. Nur einige Hundert der Häftlinge erleben nach der Deportation ins Stammlager Buchenwald die Befreiung.
29. Juni 1944
Bereits wenige Tage nach der Ankunft im KZ-Außenlager “Magda” werden 59 Häftlinge als „arbeitsunfähig“ in das KZ Buchenwald deportiert.Kranke und nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge in den Konzentrationslagern unterliegen der Selektion durch den Häftlingspfleger, den Brabag-Betriebsarzt und der SS-Sanitäter. Die “Rücktransporte” wegen “Arbeitsunfähigkeit” in die Stammlager der Außenkommandos bedeuten häufig das Todesurteil für die Betroffenen.
9. Juli 1944
Im Rahmen polizeilicher Aktionen gegen den antifaschistischen Widerstand werden Hermann Danz und Martin Schwantes verhaftet. Die beiden Magdeburger Kommunisten hatten an einem Treffen von Mitgliedern des Kreisauer Kreises und der Widerstandsgruppe um Anton Saefkow und Franz Jacob teilgenommen.
23. Juli 1944
Nach einem ersten Transport von 900 Juden am 17. Juni 1944 erreicht ein weiterer Transport von 1.250 ungarischen Juden aus Auschwitz das Außenkommando in Magdeburg-Rothensee.Bis Ende August 1944 erfolgten noch drei kleinere Transporte mit 22 Häftlingen.
24. Juli 1944
In Magdeburg werden bei einer Aktion gegen kommunistische Widerstandsgruppen Hubert Materlik, Fritz Rödel, Hans Schellheimer, Klara Schellheimer und Eva Lippold verhaftet.Sie sind von einem Gestapo-Spitzel verraten worden. Insgesamt werden mindestens 28 Widerstandskämpfer festgenommen.
25. Juli 1944
Die SS stellt einen weiteren Rücktransport von 91 kranken und/oder völlig entkräfteten Häftlingen des Außenkommandos Magdeburg-Rothensee in das KZ Buchenwald zusammen. Dort erwartet sie in vielen Fällen der Tod.
27. Juli 1944
Drei Tage nach seiner Verhaftung durch die Gestapo wird der kommunistische Widerstandskämpfer Hubert Materlik in seiner Zelle erhängt aufgefunden.Bis heute ungeklärt ist, ob Folter und Verhöre ihn in den Freitod getrieben haben oder die Gestapo ihn ermordet hat.
27. September 1944
Mit einem dritten Transport werden 525 Häftlinge des KZ „Magda“ in das KZ Buchenwald gebracht. Von dort deportiert die SS am 3. Oktober 1944 388 von ihnen zur Ermordung in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.
17. Oktober 1944
Der Volksgerichtshof verurteilt Wilhelm Schumann und Johannes Schindler als Mitglieder der Zeugen Jehovas zum Tode.Ihre Hinrichtung im Zuchthaus Brandenburg wird ausgesetzt, da man sich von ihnen Zeugenaussagen erhofft. So können sie den Nationalsozialismus überleben.
27. Oktober 1944
Ein Transport mit 550 weiblichen Häftlingen aus dem KZ Ravensbrück erreicht das Außenlager Polte-Magdeburg.Ein Großteil der Frauen stammt aus Warschau. Nach der Niederschlagung des dortigen Aufstands am 2. Oktober 1944 hatte das NS- Regime die überlebende Warschauer Bevölkerung deportiert und 60-80.000 Polen in die deutschen Konzentrationslager verschleppt.
1. November 1944
Am Magdeburger Landgericht findet die Hauptverhandlung des Volksgerichtshofs gegen Hermann Danz, Fritz Rödel, Hans Schellheimer und Martin Schwantes statt.Ihnen wird die „Vorbereitung zum Hochverrat“ vorgeworfen. Wegen des Aufbaus illegaler Widerstandsgruppen werden sie zum Tode verurteilt und am 5. Februar 1945 hingerichtet.
2. November 1944
Die ungarische Jüdin Olga Schwartz wird als Häftlingsärztin von Auschwitz in das KZ-Außenlager Magdeburg-Polte überstellt.
3. November 1944
Ein Transport mit 300 Frauen und 500 Männern – Jüdinnen und Juden aus Litauen, Lettland, Ungarn, Polen und Rumänien – erreicht das KZ-Außenlager Polte Magdeburg.Seit diesem Häftlingstransport aus dem KZ Stutthof existiert neben dem Lager für Frauen auch ein Außenkommando des KZ Buchenwald für männliche Häftlinge. Hier waren bis zu seiner Auflösung mindestens 630 Männer inhaftiert.
24. November 1944
Zwölf Frauen aus Russland und eine Frau aus Polen werden wegen Arbeitsunfähigkeit vom KZ-Außenlager Polte-Magdeburg in das KZ Ravensbrück überstellt.Wie im KZ Rothensee werden auch hier Häftlinge selektiert, von denen die meisten sehr wahrscheinlich den Tod fanden. Diese zu “Arbeitsunfähigen” erklärten Frauen und Männer haben entweder schwere Erkrankungen oder sind für die Zwangsarbeit zu geschwächt.
24. November 1944
Bei einer Besichtigung im Hauptwerk der Polte OHG stellt das Gewerbeaufsichtsamt Magdeburg fest, dass die Betriebs-Sozialarbeiterinnen darauf achten, bei schweren Arbeiten möglichst nur osteuropäische Zwangsarbeiterinnen einzusetzen.
2. Dezember 1944
300 jüdische Frauen und eine bisher unbekannte Zahl Männer erreichen mit einem Häftlingstransport aus Bergen-Belsen das Polte-Lager, unter ihnen Frauen aus Polen, Ungarn, der ČSR und Österreich.
19. Dezember 1944
In einem Schreiben weist Hans Nathusius, Betriebsführer der Polte OHG, darauf hin, dass KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter:innen im Gegensatz zu regulär Angestellten keinen Anspruch auf eine Lohnausfallerstattung bei Fliegerangriffen haben.
29. Dezember 1944
Die SS deportiert 401 „arbeitsunfähige“ Häftlinge des KZ-Außenkommandos Magdeburg-Rothensee in das KZ Bergen Belsen. Bereits innerhalb der ersten zehn Tage nach ihrer Ankunft kommen 59 von ihnen ums Leben.